Sixties-Alben
vorgestellt von B. Böttcher Julie Driscoll: 1969 Die sensible Julie Driscoll
aus London (*8. Juni 1947) verschaffte sich 1968/69 gemeinsam mit Brian
Auger und der Trinity einigen Weltruhm als extravagante
Allroundsängerin mit auffälligen modischen Marotten. Scharen von
Fotografen begehrten die Engländerin für Musik- wie Modejournale
in ganz Europa abzulichten, und auf der Bühne - gleich, ob im United
Kingdom, in den
Vereinigten Staaten, Frankreich oder Deutschland - verausgabte sie sich
bei intensiven Darbietungen. Lange hielt Driscoll den Rummel um ihre
Person nicht aus. Bereits 1970 sagte sie der kommerziellen Popszenerie Lebewohl. Seither widmet sie sich, dem Ensemblegeist
verpflichtet, sowohl avantgardistischen als auch
pädagogischen musikalischen Projekten. Unter eigenem Namen schuf
Julie Driscoll, spätere Julie Tippetts, lediglich ein
schmales Oeuvre von exzeptioneller Güte. Im Spätsommer/Herbst 1969,
nachdem sie sich von Brian Auger´s Trinity getrennt hatte, nahm die
Künstlerin bei Polydor ihr erstes Soloalbum "1969" auf, auf dem sie in
der Rückschau ihre Zeit mit der Trinity beleuchtete; begleitet wurde
sie von
einer kongenialen Schar englischer Jazz- und Bluesmusiker um den
Pianisten Keith Tippett. Julie Driscoll legt in acht von ihr
komponierten Songs, die sie gesanglich stets zu
einem dramatischen
Climax hinführt, ein inhaltsreiches Kunstverständnis offen. Stilistisch
elegant, nuanciert und eindringlich, intim und verletzlich, pendelt sie
mit ihrer
geschmeidigen Stimme zwischen Soul, Jazz und behutsam arrangiertem
Folk. Die von Giorgio Gomelsky produzierte Platte erschien erst 1971,
als Driscoll/Tippett längst im Eltern- und Erziehungsurlaub waren ...
The Moody Blues: Days Of Future Passed Den Anreiz zu dem schwärmerischen Konzeptalbum
"Days Of Future Passed" aus dem Jahr 1967 gab Antonín Dvořáks Sinfonie "Aus der Neuen Welt" von 1893.
Die in
ihren Anfangstagen dem R&B verpflichteten Moody Blues aus
Birmingham in der
Post-Denny-Laine-Besetzung mit Justin Hayward, John Lodge, Mike Pinder, Ray
Thomas und Graeme Edge erbaten von ihrer Plattenfirma Bedenkzeit und sprachen dem
Experiment schließlich zu, erstmals Rockmusik und klassische Musik in
einen Kontext zu binden. Anstatt den Tschechen zu plündern, schmückten
die Moodies lieber ihre eigenen musikalischen Einfälle aus zu einer zukunftsweisenden, mannigfaltigen Klangwelt von wirklicher Größe, die im Spätjahr 1967 als "Days Of Future Passed" bei Decca/Deram
der Öffentlichkeit preisgegeben wurde. Im spätromantischen Geist schildern
die Engländer den Verlauf eines in seinen Segmenten eingeteilten Tages auf diesem
Planeten, von der Dämmerung des Beginns ("Dawn Is A Feeling") über den
Mittag bis zur Nacht ("Nights In White Satin"). Wie es sich für ein
groß angelegtes Werk gehört, spielt das gut aufgelegte London Festival
Orchestra unter der Leitung von Peter Knight zur Einstimmung eine
Ouvertüre, die alle Themen des Zyklus
vorstellt. Eingebettet in das Orchester trumpfen die Moodies als
Fünf-Mann-Combo auf, feiern ihre Songs über die Tageszeiten, dazwischen kommt der Klangkörper
unter Knight daher und spielt die Überleitungen zu den nächsten Stunden des
Tages. Das Album ist klanglich superb: Audiophilie
anno
1967.
Jefferson Airplane: Surrealistic Pillow Exemplarisch für das Lebensgefühl des Summer of Love 1967, für Flower Power und sonstige
Floristik steht das pinkfarbene
Tondokument "Surrealistic Pillow" von Jefferson Airplane aus San Francisco. Durch das von Marihuanawölkchen umnebelte
Hauptwerk der agilen Band strömt nach wie
vor 'the
zeitgeist' eines blumigen Abschnitts der Menschheitsgeschichte: Sex&Drugs&Rock'n'Roll
ganz subtil. Jefferson Airplane waren zu
ihrer besten Zeit eine Größe in der Bay Area. Sie waren die Helden eines transparenten San
Francisco-Sound, und die Leute kauften massenhaft ihre Platten.
Zum Zeitpunkt der Aufnahmen zu
"Surrealistic Pillow" (RCA) im November 1966 bestand die Band aus Leadsänger Marty Balin, Gitarrist/Sänger Paul Kantner, Gitarrist Jorma Kaukonen, Bassist Jack Casady, Drummer Spencer Dryden und
Sängerin Grace Slick aus Chicago. Im Februar 1967 kam die LP auf
den Markt und schlug mächtig ein. Die Amerikaner verschrieben sich einem psychedelischen,
melodischen Folk von liebevoller Schönheit, polyrhythmisch mit
Tempoverschiebungen und raffinierter Gitarrenornamentik.
In Hits wie "Somebody To Love" und "White
Rabbit", die andauernd für Kinofilme verwertet werden, dringt Gracie
mit ihrer
durchbohrenden Stimme in die Köpfe ihrer Hörerinnen und Hörer: "Feed your head!" - entweder selbst denken, oder
wenigstens muss ein Joint drin sein. Auf den folgenden Alben verschärften Jefferson Airplane indes ihren
Tonfall. Die Gegenkultur des Schmelztiegels Frisco verlangte nicht nur
Schönheit ...
Principal Edwards Magic Theatre: Soundtrack Die 14 Mitglieder des
südenglischen Ensembles Principal Edwards Magic Theatre betrieben als
eingeschriebene Studenten und Studentinnen der englischen Fakultät der
Universität Exeter ihre vorgeschriebenen Studien. Ihre überschüssige
studentische Unruhe kanalisierten die jungen Leute in einem illustren
Theater, welches nach barocker Manier Lieder und Musik, Poesie und
Theater, Tanz und Lichterglanz, historische Fidel und Gesang, E-Gitarre und
Klampfe, Tambourin und Schlagwerk samt einer 3D-Lightshow zu einem
einzigartigen synästhetischen Erlebnis verband. Zwischen den
Vorlesungen tourten die fahrenden Künstler durch der Königin ihr Land
im Süden wie Norden. BBC Radio One DJ John
Peel war zugegen,
als das Magic Theatre beim Festival The Dance of Words zu Portsmouth
aufspielte. Prompt verabreichte Peel der Studentenbühne einen
Plattenvertrag bei seinem Label Dandelion Records. Im Jahre 1969 nahmen
Principal Edwards Magic Theatre modernste Studiotechnik in Anspruch, um
ihren "Soundtrack" in Form eines wunderschönen Albums dem bloß Flüchtigen zu entreißen. Auf
"Soundtrack" treffen sich Pan und Syrinx, als sei dies die
selbstverständlichste Sache. Die Engländer mischten Liedmuster der
Renaissance mit psychedelischen E-Gitarrentricks ("Third
Sonnet To Sundry Notes Of Music") und ersannen mit "Enigmatic Insomniac
Machine", "Pinky - A Mystery Cycle" sowie "The Death Of Don Quixote" außergewöhnliche und zeitlose musikalisch-poetische
Erzeugnisse, als hätten sich - Musik und Theater fordern es heraus -
die Jahrhunderte an der Fingerkuppe berührt.
Pink
Floyd: The Piper At The Gates Of
Dawn
Der "Piper At The
Gates Of Dawn" - so der Albumtitel -
war in erster Linie der arme Syd Barrett aus Cambridge (1946-2006),
Mastermind der
Urformation der erfolgreichen Band und ein tragischer Fall. Die beiden
glorreichen frühen Singles von Pink Floyd, "Arnold Layne" und "See
Emily Play" (1967), stammen aus seiner Feder und bilden geradezu die
Quintessenz seines künstlerischen Genies. Die Londoner Studentencombo - Syd Barrett, Roger Waters, Richard
Wright, Nick Mason - wurde wegen ihrer stundenlangen Improvisationen
bei psychedelischen Lightshows im Londoner UFO Club als Underground-Sensation des Jahres 1967 bewundert. Allerdings wirkt die Musik der Band, die vom Clubpodium
live und laut mit all den Lichtern aufreizend auf das Publikum
übersprang und für so manchen Trip sorgte, auf der im Sommer 1967 bei
EMI
veröffentlichten LP eher possierlich. Zwar glänzt Barrett mit skurrilem
Witz, scheppernde
E-Gitarren und flirrende Orgeln fehlen ebenso wenig wie
Schlagzeugostinato und E-Bassverzierungen, aber unter dem Strich probte
das Quartett pubertären Acid-Rock mit Jugendbuchtexten, albernen
Geräuschen und Spaßfaktor - der allemal seinen Reiz hat. Lyrikprobe:
"There was a king, Who ruled the land, His majesty, Was in command,
With silver eyes, The scarlet eagle, Showered silver on the people, Oh
Mother tell me more ..." ("Matilda Mother"). Im Laufe des Jahres '67
folgte der psychische Absturz von Syd Barrett; sein Nachfolger 1968
wurde David Gilmour.The Jimi Hendrix Experience: Axis: Bold As Love James Marshall 'Jimi' Hendrix (1942-1970) aus Seattle, USA, personifiziert den archetypischen Virtuosen der Ära nach Paganini und Liszt, den Hexenmeister der sechs Saiten. Jahrelang drehte er als Begleiter von Ike & Tina Turner u.v.a.m seine Runden, ehe er 1966 seine eigene Band, Jimmy James & The Blue Flames, einrichtete. Jimis eher stille Laufbahn in den USA nahm 1966 ein jähes Ende, als ihn Chas Chandler entdeckte und veranlasste, ihn umgehend nach London einfliegen zu lassen. Dem Gitarristen wurden die vergleichsweise ruhigen Engländer Noel Redding (Bassgitarre) und Mitch Mitchell (Schießbude) zur Seite gestellt, die sich prompt eine Jimi-Frisur verpassten. Binnen des Winters 1966/67 war das Trio The Jimi Hendrix Experience die Sensation in Londoner Clubs. Alle Einwohner der Stadt bestaunten Jimis Virtuosität, seine Energie, allerlei pyrotechnische Spielchen auf offener Bühne, wie er seiner elektrischen Gitarre Klänge entlockte, die vormals unbekannt waren. Sein kometenhafter Aufstieg wurde dem Künstler indes zum Verhängnis, und das wusste er. Der Zirkus Hendrix ließ sich überall blicken, fast jeden Tag lockte ein Live-Auftritt irgendwo auf dem Globus, und der Musikant war zur ständigen Wiederholung selbst auferlegter Kapriolen verdammt. Während seiner ersten Schaffensperiode 1967 empfing Hendrix Tantiemen für zwei gut verkäufliche LPs. Die zweite, "Axis: Bold As Love" (Polydor), ist mit weniger bekannten Songs bestückt. Nie der große Komponist und Sänger, disziplinierte der Amerikaner seine Force für eher lockere psychedlische Musik mit Lyrik über UFOs, überWesen in den Wolken, Träume, Farben, Schlösser. Seine beiden Schatten Redding und Mitchell sind nirgends präsenter als auf "Axis". 1968 folgte die Doppel-LP "Electric Ladyland" und das Ende der ursprünglichen Experience. Am 18. September 1970 starb Jimi seinen frühen Tod und ist seitdem unsterblich. The Beatles: Rubber Soul Jenseits der Beatlemania, des Kinofilms "Help" und des
Starrummels um ihre
Personen verfeinerten
die vier Liverpooler die britische
Beatmusik und hoben sie im Spätjahr 1965 mit dem Werk "Rubber Soul" auf
eine
Entwicklungsstufe fern des hübschen Lärms der Vorgänger. Plötzlich waren die Beatles artifiziell, verfertigten
Klangtypen, die tatsächlich ein neues Zeitalter und ein erneuertes
Verständnis populärer Musik einleiteten und beanspruchten, gehört und
nicht durch Schreie und Hysterie überdeckt zu werden. Ein bisschen ging damit auch
die Unbekümmertheit, Rauheit und Naivität der frühen Jahre verloren. Trendwende also mit "Rubber Soul",
jener Arbeit, die dem Medium Langspielplatte zur Profilschärfung von
Beatbands
verhalf und welcher Produzent George Martin ebenso eine glänzende Politur wie auch
ein
einheitliches Klangbild verschaffte. Jedenfalls ist es ein Beatles-Album
mitsamt
einem Schwall individueller, zunehmend angedeutet autobiografischer
Songs
ohne nennenswertes Qualitätsgefälle. Die Fab Four demonstrierten Vielseitigkeit, bauten
anmutige Pianopassagen ein ("In My Life"), bezogen Folklore ein
("Girl"), neigten
zur Wortspielerei ("Nowhere
Man"), spielten
Gitarren wie Glockenklang ("If I Needed Someone"), ließen den Soul raus ("Drive My Car"), sangen "Yesterday" auf
kontinentalfranzösisch ("Michelle"). Erstmalig hingen
die Englishmen mit "Norwegian
Wood" das Indische
raus,
und
schon standen sympathisierende Bands (The Byrds) ebenfalls mit der
Sitar bereit.
The Beatles: Revolver Mit "Revolver" gingen die Liverpoolians im August 1966 noch ein Stück weiter und schufen buchstäblich eine Enzyklopädie aller bislang vorgenommenen und demnächst vorzunehmenden Spielarten des Pop. Und so klingt die Platte auch. Die Mischung vieler Farben bewirkte ein bemerkenswert uneinheitliches musikalisches Gemenge, aus dem einige Songs herausragen, andere völlig untergehen. Jean Paul, George und Ringo verstärkten ihre Individualstile, die seither mit ihnen verknüpft werden wie gewöhnlich Hemden an Leibern kleben. Lennon gab sich in "I'm Only Sleeping" und "Tomorrow Never Knows" verschlafen, spöttisch und psychedelisch, McCartney baute mit "Here, There And Everywhere" und "For No One" sein Talent als Schnulzenschreiber aus, Harrison bekräftigte mit "I Love You To" seine Indischkenntnisse, Starr schunkelt im "Yellow Submarine" durch die Weltmeere. "Eleanor Rigby" ist ein Jahrhundertklassiker, "She Said She Said" und "And Your Bird Can Sing" stellen feine Gitarrenkunststückchen dar, aber nicht wirkliche Knaller (wie ein Jahr zuvor "Ticket To Ride"). Schlussendlich geriet der Sound auf "Revolver" - der direkte Vorläufer zu "Sgt. Pepper" - zunehmend ambitioniert, die Musik schien auf der Bühne nicht mehr reproduzierbar, weswegen die Beatles am 29. August 1966 in San Francisco ihr Abschiedskonzert gaben, um bis zum Jahresende Urlaub zu machen. Forthin wähnten sie sich so frei, im EMI-Studio London mit allen Tricks die tollsten Klangcollagen auszuhecken. The Beatles: Abbey Road
Grundsätzlich besitzen
Schallplattencover der hier behandelten Ära allesamt ikonographischen
Charakter. Der Symbolwert und die Aussagekraft der auf den
Plattenhüllen abgebildeten Attribute verhelfen einer simplen
Plattensammlung zu dem Rang einer Daueraustellung über ein
abwechslungsreiches (frühes Wassermann-)Zeitalter. Auf dem Cover ihres
letzten gemeinsamen Studioalbums "Abbey Road", aufgenommen im Hochsommer 1969 in den
bis heute berühmten EMI-Studios, spazieren die Fab Four mit weit
ausholenden Schritten über einen Zebrastreifen der Abbey Road, und bis
heute rätseln Fans und Antifans über die Symbolkraft dieser Wanderung.
Zur Musik: Das Klangbild aller Stücke ist überaus druckvoll, da haben
die EMI-Ingenieure ganze Arbeit geleistet. Auf Seite 2 des Werks
befindet sich im Anschluss an Harrisons "Here Comes The Sun" ein
Medley, wie es einem Konzeptalbum gut angestanden hätte; da reiht sich
Fragment an Fragment, wobei einige durchaus hymnische Eigenschaften
haben. Auf Seite 1 erleben wir komprimiert das gesamte Spektrum des
Beatleskanons. Anhand dieser Lieder kann - rückblickend - leicht die
weitere musikalische Entwicklung der vier Liverpooler abgelesen werden, die sie als Solisten nach der Trennung der Band einschlugen. Interessant ist,
dass die Beatles mit "Abbey Road" eine der ersten Bands waren, welche
den unlängst erfundenen Moog-Synthesizer einsetzten, der übrigens die
Sitar ersetzte. Ein dreiviertel Jahr nach Erscheinen des Albums
(September 1969) gab es keine Beatles mehr - ein Umstand, mit dem die
Musikwelt klarkommen musste.
Noch
wilder, langhaariger und
rüpelhafter als
die Rolling
Stones zu sein, sollte schon was heißen. Mitte des Jahrzehnts
verdingten sich The Pretty Things als einer der spektakulärsten
Live-Acts im Vereinigten Königreich. Musikalisch hatten sie in direkter
Nachbarschaft zu The
Creation, The
Who, den Stones und Konsorten viel zu bieten und stanzten ihre Potenz
auf stattliche Schallplatten. Im Flower Power-Sommer '67 versuchten es
die Pretties samt dem Album "Emotions" gar auf die sanfte Tour. 1968 -
ein Jahr vor
"Tommy" von The Who
- schrieben und uraufführten The Pretty Things - Phil May, Dick Taylor,
Wally Allen, John Povey, John 'Twink' Alder - die erste Rock-Oper der Geschichte: "S. F. Sorrow"
(Columbia). Vielleicht weniger eine opera denn ein Konzeptalbum ist
dies die
Geschichte von Sebastian
F. Sorrow, dessen
Lebensabschnitte
vom freudigen Ereignis der Geburt bis zum Wahnsinn im Alter mit gehörigem Spott
nachgezeichnet werden. Unter der Prämisse, das Leben sei sorgenvoll, führten die Pretties den Helden ihrer Oper mit verteilten Rollen sowie vielseitig instrumentiertem,
schonungslosem
und in Abstimmung
auf den dramatischen Gehalt gefärbten Psychedelic Rock von hoher
Intelligenz durch düstere Schauplätze. Damals, 1968/69, begannen für die Pretty Things die Sorgen,
da ihr dramma per musica
"S. F. Sorrow" nicht gut ankam, von der Kritik verworfen und vom
Publikum abgelehnt wurde. Heutzutage wissen wir es besser.
Tomorrow:
TomorrowDas Londoner Ensemble fing 1964 als
ganz normale britische R&B-Band namens Four + One, später The
In-Crowd an und schwang sich im Frühjahr 1967 mit dem programmatischen
Namen Tomorrow auf die Flügel des psychedelischen Feuervogels. Tomorrow
- das klang nach Aufbruchstimmung und Zuversicht. Im Februar 1968
indessen, als EMI
mit
erheblicher Verzögerung endlich das gleichnamige Album veröffentlichte,
geriet das Quartett unter die Räder und verschwand von der Bildfläche.
Die Platte blieb ein Ladenhüter und erfreut sich erst seit Mitte der 1990er Jahre besonderer Wertschätzung.
Tomorrow waren Sänger Keith West, Gitarrist Steve Howe, Bassist John
'Junior' Wood und Schlagzeuger John 'Twink' Alder. Im psychedelischen
Sommer 1967 zogen sie als musikalisch kompetenter Live-Act das Publikum
in die Londoner Clubs und spielten unter der Leitung von Mark Wirtz ihr
Album ein. Während Sänger Keith West mit von Wirtz und ihm selbst
geschriebenen "Excerpts Of A Teenage Opera" (der Song über 'Grocer
Jack') als Solist einen Riesenerfolg hatte im Königreich, ging die
Gruppe mit den Singles "My White Bicycle" und "Revolution" leer aus.
Auf ihrer LP rückte
die spielfreudige Schar
glänzenden Psych-Pop heraus mit findigen Melodien, witzigen Texten
und furioser Instrumentierung ohne eine Spur von Sentimentalität
oder Narzissmus. Bloß Steve Howe war es gegeben, als Gitarrist von Yes
seit 1970 eine Weltkarriere zurückgelegt zu haben.
Cream: Wheels Of FireIn Gestalt einer heftig
promoteten Soupergroup veränderte das britische Trio
Cream in den zwei Jahren seines
Bestehens musikalische Gewohnheiten, übernahm und vertiefte sowohl eine
vom Jazz übernommene Kultivierung des Zusammenspiels als auch die
Vervollkommnung instrumenteller Kunstfertigkeit. Cream gaben infolge
von
Improvisierlust und stupender Virtuosität auf der Konzertbühne die
Richtlinien für den progressiven Rock der späten Sechziger bis
mittleren Siebziger vor und setzten alle Nachfolger in die
Verlegenheit, eigentlich nur noch die vom Trio entwickelten Spielweisen
mehr oder weniger variierend zu repetieren. Gitarrist Eric 'God'
Clapton (*30. März 1945) spielte 1964/66 bei den Yardbirds und
John Mayall's Bluesbreakers,
Bassist/Sänger/Cellist Jack Bruce (*4. Mai 1943) und Schlagzeuger Peter
'Ginger' Baker (*19. August 1939) verstärkten 1964/66 die Graham Bond Organisation,
Bruce zudem John Mayall und Manfred Mann. Im Frühjahr 1966 kamen die
drei Musiker überein, ihre Fähigkeiten zu einem Synergieeffekt der
gehoben Art, zum Trio Cream zu verschmelzen. 1966/67 erschienen zwei
psychedelische Meilensteinalben; im Sommer 1968 wurde das Doppelalbum "Wheels Of Fire" (Polydor)
ausgehändigt. Der Clou war, dass Platte 1
Studiotracks beinhaltet ("White Room"), Platte 2 die Band live auf der
Bühne im Winterland in San Francisco zeigt. Britains Trio der Superlative setzte, technisch vollendet auf ehernem
Bluesfundament, Maßstäbe und war als Band
homogener als die Jimi Hendrix Experience. Persönliche Abneigungen und
Eifersüchteleien trübten schließlich das Amüsement. Eine
Weiterentwicklung der Musik war ohnehin nicht mehr möglich, und am 25.
und 26. November 1968 gaben Cream zwei Abschiedskonzerte in der
Londoner Royal Albert Hall.
The Zombies: Odessey And Oracle Die von vielen
bedeutenden Musikern aus aller Welt verehrte englische Beatband
aus St. Alban rang Zeit ihres Bestehens vergebens um
Marktanteile im Musikbusiness, erhielt allerdings eine Reputation als
künstlerisch ernst zu nehmender Act mit einem Gespür für
einschmeichelnde Melodien. Davon konnten sich die Zombies irgendwann
nichts mehr kaufen und lösten im März 1968 ihr Bestehen auf. Vier Jahre
zuvor feierten Rod Argent, Colin Blunstone, Chris White, Paul Atkinson,
Hugh Grundy mit ihrem Klassiker "She's Not There" ihren einzigen
nennenswerten Hit, gefolgt vom nicht minder magischen "Tell Her No".
Tourneen führten das Quintett bis Südostasien, aber erwerben wollte die
zauberhafte Musik niemand. Im Sommer 1967 spannen The Zombies in den
Abbey Road-Studios die
tonmalerischen Fäden für ihr zweites, im Frühjahr 1968 bei CBS veröffentlichtes Album "Odessey
And Oracle". (Bei
Drucklegung des Covers hatte man ein Problem mit Ortographi.)
Dieser Tonträger trägt eine Liebesgeschichte in 12 Szenen, wobei
Blunstones schwermütiger Gesang und Argents quirlige Keyboards
herausragen.
Eindeutig von den Beatles und den Beach Boys beeinflusst, entwickelten
die Engländer atmosphärisch dichte, durchkomponierte Stücke in
abendländischer Liedtradition ("A Rose For Emily") mit verschlungenen
Gesangsharmonien und chromatischen Fortschreitungen. Enthält den
Klassiker "Time Of The Season" (written by Rod Argent).
Traffic: TrafficStevie Winwood (*12. Mai 1948) schritt
jahrelang als das
Wunderkind aus Birmingham durch die Kulissen und sang seinen Blues so
probabel, dass man glauben mochte, der Jüngling sei am Mississippi zur
Welt gekommen und nicht in den englischen Midlands. Zwischen 1964 und
'67 ging er bei der Spencer Davis Group in die Lehre. Im Frühling 1967
gründete ein gereifter Stevie Winwood (Gesang, Tasteninstrumente,
Saiteninstrumente) mit Jim Capaldi
(Rhythmusinstrumente, Gesang), Dave Mason (Saiteninstrumente, Gesang)
und Chris Wood
(Flöt- und Blasinstrumente) seine Lieblingsband Traffic. Im Herbst 1967
hinterließ das Quartett mit seinem fantasievollen Debüt "Mr. Fantasy" (Island Rec.) einen guten Eindruck, den es mit dem
unbetitelten Nachfolger von 1968 (Island) bestätigte. Blies beim
Erstling noch ein Wind mit psychedelischen und balladesken Arabesken,
genossen es die musizierenden Schilfrohre diesmal, ein geschlossen klingendes Liederalbum mit
erdverbundenem Soul, Folk und Blues zu gestalten. Traffic verstanden es
ausgezeichnet, auf ihrer Platte einer Männer-WG-Musik Ausdruck zu verleihen, ein Wir-Gefühl zu verbreiten, so
anrührend ist das Programm, welches eine weite Bandbreite der Gefühle und
Meinungen abdeckt. Traffic sind mal traurig und enttäuscht ("Cryin' To Be Heard"), mal freudig und
laden zu guter Laune ein ("You Can All Join In", "Feelin' Alright")
oder wissen einfach nicht weiter ("Who Knows What Tomorrow May
Bring?").
High Tide: Sea Shanties Ein unerwartet harter Brocken
Progressive Rock begegnet dem Hörer mit den "Sea Shanties" der englischen Formation High Tide. Die
radikalen Klangorgien der Londoner Undergroundgruppe sind einer
geradezu apokalyptischen Grundstimmung unterworfen und setzen sich als
rabenschwarze, hochpsychedelische Seestücke von bemerkenswerter
Struktur und dazumal unüblicher Härte von der Buntheit ab, die der
Markt des
Jahrgangs 1969 ohnehin zu bieten hatte. Tony Hill (Gitarrist und Sänger) verdingte sich Mitte/Ende der
60er bei den Bands The Answers und The Misunderstood, ehe er mit Simon House (elektrische
Violine), Peter Pavli (Bassgitarre) und Roger Hadden (Schlagzeug) High
Tide formierte. Jenes 1969 bei Liberty Rec. ans Licht
gebrachte Produkt der Kulturindustrie betitelte die Band irreführend "Sea Shanties".
Dahinter verbergen sich abgründige Tongemälde mit Folksplittern und
durchdringenden Gesangsweisen, wobei als frappante musikalische
Neuerung
der aufwühlende Dialog zwischen Hills E-Gitarre und der elektrischen
Violine von House ins Ohr sticht, unerbittlich antreibend und
wiederkehrend beruhigend. Tony Hill fokussiert mit seinem Instrument
peinigende Tonfolgen, die in ihrer Expressivität beispiellos sind. 1970
legten die Psychedeliker mit einem zweiten Album nach, dann war der
Ofen aus. Während der 1970er Jahre hielten sich alle vier Musiker
vermöge
unterschiedlicher Verpflichtungen über Wasser.
Eclection: Eclection Eine internationale Truppe traf 1968 in
London ein, um unter den Fittichen von Produzent Ossie Byrne für das
amerikanische Label Elektra ein Album einzuspielen: Georg Hultgreen aus
Norwegen, Michael Rosen aus Kanada, Gerry Conway aus Großbritannien,
Trevor Lucas aus Australien und Sängerin Kerrilee Male, gleichfalls von
der Straußeninsel. Das Ensemble baute eine Menge Instrumente auf,
verpasste sich den Namen Eclection, und genauso eklektizistisch konzipierte es eine Musik wie eine
Einflüsterung aus dem Reiche Oberons. Die Freude an klanglichen
Expertisen veranlasste das Quintett, europäische Kunstmusik
mit Folk und Psych zu einem hochgestochenen Art-Rock zu verknüpfen.
Meist bestechen die Tonfolgen dank schwieriger Gesangspassagen bei
wohl durchdachter harmonisch-melodischer Kontinuität, teils übertrieben die Musiker, indem
sie die grundlegenden Themen ihrer musikalischen Konstrukte mit fragwürdigem Schalldressing überzogen - eine gelegentliche
Sparsamkeit der Mittel hätte dem Programm geholfen. Und über
allem schwebt Kerrilee Males trefflicher Diskant. Jefferson Airplane
meet The
Mamas & The Papas = Eclection. Bald nachdem die unverkäufliche
Platte Mitte 1968 erschien,
verschwand
sie wieder vom Markt und geriet mehr als 30 Jahre in Vergessenheit.
Hultgreen übrigens kostete 1976 mit der Gruppe Sailer und den Hits
"Girls, Girls, Girls" und "A Glass Of Champagne" TV-Präsenz.
Pentangle: Basket Of Light Die
Folkmusiker Bert Jansch und John Renbourn, zwei Protagonisten jener Mitte der 1960er Jahre ins
Rollen gebrachten britischen Folkbewegung, gründeten 1967 in London
gemeinsam mit der Sängerin Jacqui McShee, dem Bassisten Danny Thompson
sowie Schlagzeuger Terry Cox die musikalisch wie historisch
gleichermaßen gebildete Einheit Pentangle. Kaum hatten die Künder
altbritischen Kulturguts 1968 zwei Langspielplatten aufgenommen,
erhöhten sie die Messlatte. 1969 musizierten Pentangle beim Newport Folk Festival und schufen mit ihrem dritten
Album "Basket Of Light" (Transatlantic) einen Korb voll herrlicher
frischer Früchte, die mit den Jahrzehnten reifen. Rein akustisch, bar aller Elektrifizierung kombinierten die Briten
traditionelles Repertoire
des 14. bis
19. Jahrhunderts
mit an solcherlei Mustern angelehnten Eigenkompositionen. Niemals
einseitig, stets
taktvoll und klangschön verknüpfte
die beliebte Band märchenhaften Folk mit einem gehörigen Schuss Jazz zu einem ganz eigenen Gewebe eingeschlossen Anmut und Würde. Charakteristisch dafür ist das
spitze Stakkato
der Gitarren von
Jansch und Renbourn gleichsam Reflexen auf Wasseroberflächen. Die Mitstreiter Thompson und Cox sorgen für die
korrekte rhythmisch-metrische
Entwicklung,
während Jacqui
McShees Elfengesang
in den
kritischen hohen Lagen nicht nur technisch einwandfrei ist, sondern
auch so klar und hell wie ein Gebirgsquell. Erstmals trennten sich Pentangle 1972.
Scott Walker: Scott 4 Scott Walker wurde am 9. Januar 1944 in Hamilton, Ohio, USA mit Namen
Noel Scott Engel geboren, und er war
auch einer, jedenfalls ein Adonis, der als ein dritter
Teil des Trios
The Walker Brothers zwischen 1965 und 1967 mit schwülstigen Hits wie
"The Sun Ain't Gonna Shine Anymore", "My Ship Is Coming In", "Another Tear Falls" auf sich aufmerksam
machte und Herzen brach. Im Mai '67 gingen die Walker Brothers
getrennte Wege, und Scott Walker folgte konsequent seinem
existenzialistischen Image eines einsiedlerischen Melancholikers und
Schöngeistes mit Wohnsitz in London. Ging er aus Haus, dann um in
Londoner Aufnahmestudios seine legendäre Tetralogie einzuspielen, vier
Alben binnen der Jahre 1967 und 1969, von denen "Scott 4" den
künstlerischen Gipfel bildet. Sang Scott zu Beginn seiner Solokarriere
noch viel Jacques Brel, schrieb er für seine weiteren Kunsterzeugnisse
eigene düstere Lieder, die er mit seinem unvergleichlichen Bariton
regelrecht bis zur Gespreiztheit zelebrierte. Wenngleich sich Walker
auf Nro. 4 auch zeitgebundener Themen annahm (Vietnamkrieg, Kalter Krieg),
expedierte er in kompositorischer und literarischer Hinsicht
stimmungsvolle, von zeitlichem Verfall befreite Madrigale ("The Seventh
Seal", "Angel Of Ashes", "Boy Child", "Duchess"), voll gepackt mit
Tiefsinn, samt verschwenderischen
Sinfonieorchesterkaskaden
arrangiert und schlichtweg atemberaubend.
The Doors: The Doors
Eigentlich hätte es heißen müssen
Jim Morrison & The Doors, so sehr drückte das begnadete Idol dem
Outfit seinen Stempel auf. Organist Ray Manzarek, Gitarrist Robby
Krieger und Drummer John Densmore gaben Statisten ab oder gute Geiseln,
welche
Morrisons Eskapaden erduldeten und ... lebend davonkamen. Beau, Rebell
und Rocksänger Jim Morrison (1943-1971) war der Sohn eines US-Marines,
Student an der UCLA und Poet. Im Sommer 1965 konstituierten er und seine drei
Mitstreiter an kalifornischem Gestade die Band The Doors, die in Clubs
von Los Angeles eine glamouröse Show ablieferte. Zu Beginn von 1967
erschien die Single "Break On Through (To The Other Side)"/"End Of The
Night",
mittels der die Combo Bewusstseinserweiterung mit Hilfe von LSD und
den Songs der Doors
postulierte.
Im März 1967 kam die von Paul Rothchild bei Elektra produzierte, unbetitelte erste LP hereingeschneit: Psych mit Blues und
einem Stück der Exilanten Brecht/Weill ("Alabama Song"). Der Nummer
1-Hit "Light My Fire" verhalf der Band im Juli '67 zum
Durchbruch. Abgesehen
von diesem Titel war bei den Doors musikalisch nicht viel los. Ins kollektive Gedächtnis prägten
sich vielmehr die theatralischen Bühnenshows und Exzesse von Jim Morrison. Der schwarzgekleidete Egomane nutzte Rampenlicht wie Medien, um seine erotischen
Visionen zu äußern (die
Ödipus-Bearbeitung "The End"), das Unterbewusste zu beschwören (Dionysos war sein Gott) oder in
ritueller Pose aufzubegehren
gegen Autoritäten. Seine Jungs boten den Background für sein ungezwungenes Delirieren, doch was wären sie ohne ihn
gewesen? Im
Herbst '67 erschien
die zweite Langspielplatte "Strange
Days", der die Spannung des ersten Streichs freilich fehlt. Jim Morrisons Leben endete am 3. Juli
1971 in einem Hotel in Paris. Seine Stimme in "Riders On The Storm"
(Juni '71) endet nie.
Richard & Mimi Fariña: Reflections In A Crystal Wind Beide sind nicht mehr am Leben.
Richard Fariña, Jahrgang 1937, stammte aus Brooklyn, New York. Zunächst
verschrieb er sich der Literatur und verfasste Theaterstücke,
Geschichten und Kolumnen für Zeitschriften, in denen er gegen den
US-Imperialismus wetterte und was es sonst noch so gab. Margarita
'Mimi' Fariña, Jahrgang 1945, wurde in Stanford, Kalifornien geboren
und ist die jüngere Schwester von Joan Baez. Während eines Aufenthalts
in Chartres begegneten Mimi und Richard sich; sie gingen die Ehe ein
sowie eine musikalische Partnerschaft. Im Juni 1964 nahm das junge Paar
am Monterey Folk Festival teil, im darauf folgenden Jahr am Newport
Folk
Festival: Er im schwarzen T-Shirt mit seinem Dulcimer, sie barfüßig
mitsamt Gitarre. Auf Grund ihres kreativen Vermögens erhielt die
Zweiheit bei Vanguard einen Plattenvertrag, den sie mit zwei Alben 1965
erfüllte: "Celebrations For A Grey Day" sowie "Reflections In A Crystal
Wind". Stand in "Celebrations" noch ein Dulcimer-Workshop von Richard
im Mittelpunkt, öffnete das Duo auf "Reflections" eine Palette wie eine
Pfingstrose und einen Fächer dichterischen, melancholischen Folk ("A
Swallow Song"), der sich mit fliegenden Tänzen und agitatorischem Blues
("House Un-American Blues Activity Dream") bestens verträgt. Am 30.
April 1966 - Mimis 21. Geburtstag - verunglückte Richard mit dem
Motorrad tödlich. Mimi starb am 18. Juli 2001 an
Krebs.
Im
Rang einer eloquenten Nachwuchskünstlerin komponierte Laura Nyro (1947-1997)
aus New York etliche Klassiker, die von
namhaften Showgrößen mit
meist beträchtlichem Erfolg gecovert wurden.
Nyro selbst landete mit eigenen Interpretationen ihrer substantiellen, komplexen Liedgebilde keinen Treffer, legte
jedoch mit der Trias ihrer Alben "More Than A New Discovery" (Verve
1967), "Eli And The Thirteenth Confession" (Columbia 1968) und "New
York Tendaberry" (Columbia 1969) ein individuell gestaltetes
Repertoire vor, welchem die Amerikanerin eine eigentümliche religiöse Codierung auferlegte. Binnen
einer Umhüllung von Blues, Soul, Gospel, R&B und Swing
entblätterte Laura Nyro, die sich alleweil am
Pianoforte begleitete, mit flexiblem Sopran ihre Bekenntnisse. Unaufhörlich - ebenso im Studio wie
auf der Bühne - ließ sie sich vom Strom der Gefühle, von der Flut
musikalischer Gedanken mitreißen. Die gesangliche Durchführung ihrer
musikalischen
Dichtungen mutet improvisiert an, kühne Intervallsprünge bilden ein
Stilmittel. Auf die Abstimmung der Worte und Phrasen, von Silben und
Noten verwandt sie hohe Aufmerksamkeit. Die Chiffren "Lu", "Luckie" (Songtitel)
oder Eli ("Eli's
Comin'") stehen für den Verführer - Luzifer -, der Nyro, die Gefallene,
in Versuchung drängt. Errettung von Nyros Seele glückt durch die
Musik,
auf "Eli ..." mit üppigen Orchesterstimmen arrangiert, wie schützend vor widrigen
Einflüsterungen.
Joni
Mitchell: Clouds
Praktisch im
Alleingang spielte die Kanadierin (*7. November 1943 als Roberta Joan Anderson) ihre zweite
Langspielplatte "Clouds" (Reprise) von 1969 ein. Ihre
Stimme und ihre Gitarre bilden die einzigen akustischen Parameter, mit
denen
Mitchell autobiografische, zutiefst poetische Lieder in bester
Singer/Songwriter-Manier transportierte. Joni Mitchell zählt zur
Generation jener künstlerisch autonomen Liedermacherinnen, die das
Genre des weiblichen
US-Folk vertieften und deren Werk ein Abbild ist ihres Lebensentwurfs.
Von 1965 bis 1967 spielte sie mit ihrem damaligen Ehemann Chuck
Mitchell in Clubs und auf Festivals in den Staaten. Als Joni Mitchell
1968 endlich auf Platte debütierte, konnte sie vermutlich noch nicht ermessen, dass sie zur Ikone
luxuriöser populärer Musik aufsteigen und bis ins 21. Jahrhundert
künstlerisch aktiv sein
würde. Auf "Clouds" besticht sie vermöge ihres
hellen melismatischen, mit blendender Technik kultivierten Gesangs samt quasi
instrumentalem Vibrato.
In zeitlosen Folksongs mit mustergültigen Gitarrenfiguren ("Chelsea
Morning", "I Don't Know Where I Stand", "Both Sides, Now") enthüllt die
Künstlerin durch poetische Chiffren ihr Inneres, lässt die Zuhörer
teilhaben an Zweifel und Zuversicht. Mit dem zerbrechlichen "Tin
Angel" schuf sie wahrhaft magische Momente. Mitchell setzte ihrer
Folkphase 1972 ein Ende. 1974/75 entdeckte sie den Jazz als
Ausdrucksform, und es gelingt ihr seither, sich auf jedem
folgenden Plattenprojekt neu zu erfinden. Andwellas Dream nannte sich eine
nordirische
Band, die bei Gründung im Jahr 1968 noch The Method hieß. 1969
übersiedelte das Trio nach London und nahm bei CBS ein traumhaftes
Album auf, das alle Merkmale aufweist, die aus einer normalen
Rockplatte einen künstlerischen Meilenstein mit eigener Handschrift
machen. Andwellas Dream
bestand aus David Lewis (Komposition, Poesie, Gesang, Gitarre,
Tasteninstrumente), Nigel Smith (Bassgitarre, Gesang) und Gordon Barton
(Schlagzeug). Unter Lewis' Leitung führte die Traube auf dem
Vorzeigestück "Love And
Poetry" ein klangfarbenfrohes musikalisches Spektrum vor, ohne einen
Duktus
einseitig zu strapazieren. Wie selbstverständlich gewinnen aus den
Händen der Musiker psychedelische Nummern mit schneidender E-Gitarre
neben lyrischen Folksongs über das schöne Poetenleben und progressiven
Suiten eindringlich Gestalt.
Dabei half Bob Downes mit einer Batterie chinesischer Glöckchen und
Flöten, Becken und Trockenlaub. Von der Kritik wohlwollend aufgenommen,
entpuppte sich die Platte indessen als Kassengift. Heutzutage erreicht
ein
seltenes Original einen Sammelwert von über 200 Pfund.
Der antiquarische Wert von David Lewis' Solo-LP "Songs Of David Lewis"
von 1970 beläuft sich auf gut 300 Pfund. Unter dem verkürzten Namen Andwella und mit veränderter Besetzung
hielt Lewis sein Bandprojekt mit zwei weiteren Alben 1970/71 am Leben.
Elmer
Gantry's Velvet Opera
Vorhang auf für Elmer Gantry's Velvet Opera! Handys aus, und nicht husten jetzt! Akte gibt es nicht, nur Szenen. Die 1. Szene zeigt einen geschlossenen Hort irgendwo in London im Jahre 1966, worin die junge Combo Jaymes Fenda & The Vulcans probt, die sich zu Beginn von 1967 in The Five Proud Walkers umbenennt. Mit dabei: Sänger Elmer Gantry, Gitarrist Colin Forster, Bassist John Ford, Drummer Richard Hudson, Keyboarder James Horrocks. Horrocks geht ab. Die 2. Szene zieht den Blick auf die nunmehr in Elmer Gantry's Velvet Opera umbenannte Band, auf deren schmissige Debütsingle "Flames"/"Salisbury Plain" (1967), die nachfolgende Single "Mary Jane"/"Dreamy" sowie etliche Auftritte des Quartetts in der Top Gear Radio 1 Show der BBC. Die 3. Szene eröffnet Bühnenauftritte in Londoner Clubs und Aufnahmen zu einer mit dem Gruppennamen geschmückten Langspielplatte, die im Juli 1968 bei Direction Records gepresst wird. Die 4. Szene bietet einen Einblick in das fertige, erfreuliche Werk der vier witzigen, selbstironischen, virtuosen, fantasievollen, slapstickverliebten, poetischen, beschwingten Briten, welche den berühmten Elmer Gantry's Velvet Opera-Stil begründeten: So nonchalant und geistreich kann eine Mischung aus Beat, R&B, Soul und Psychedelic klingen! Hudson und Ford mischten ab 1970 bei den Strawbs mit. Elmer Gantry stieg nach dubiosen Zwischenstationen erst wieder 1975 mit seiner Band Stretch ins Geschäft ein. The Kinks: Something Else By The Kinks Spooky
Tooth: It's All About
In
der damals nordenglisch-amerikanischen Band Spooky Tooth befanden sich
ausgezeichnete Musiker, die teils als Solisten Ordentliches leisteten:
Mike Harrison war ein ausdrucksstarker Sänger und machte Soloplatten,
mit dem Keyboarder und Sänger Gary Wright aus den Staaten entstand in
den 70er Jahren ein erfolgreicher Solist, Luther Grosvenor war ein in
der Szene gefragter Gitarrist, Schlagzeuger Mike Kellie selten ohne
Beschäftigung und Greg Ridley als Bassist sowieso begehrt. Anfangs,
1963, hießen die Spookys The VIP's, nahmen ein paar Singles auf, nannten Keith Emerson ihren Mitspieler
und räumten in den Clubs auf. 1967 tauften sich die VIP's gemäß
Zeitgeist Art (Kunst) und brachten ein kunstvoll psychedelisches Album
mit dem Titel "Supernatural Fairy Tales" (Island Records) zustande.
1968 war dann der Weg frei für Spooky Tooth, die bald als von einem
phänomenalen Live Act von sich reden machten. In oben aufgereihter
Besetzung spielten die Spookys die Langspielplatte "It's All About"
(Island) ein, die im Mai 1968 zum Kauf auslag. Sobald die Platte auf
dem Plattenteller lag, wurde die Welt gewahr, dass das Quartett zu
einer hochemotionalen Musik befähigt war. Der Grundton bestand aus
erdigem Blues mit kräftigem Soul und transzendentalem Psych sowie
kämpferischen Vocals. Seine - des Quartetts - Version von Janis Ians
"Society's Child"
ist zeitlos und voll überzeugend. In den Jahren 1969 und 1970
übergaben Spooky Tooth als Beweis ihrer musikalischen Klasse die Alben
"Spooky Two", "Ceremony" und "The Last Puff" ihren Anhängern.Dusty
Springfield: Dusty in Memphis
Während einiger Jahre galt die Hampstead, London mit bürgerlichem Namen Mary Isabel Catherine Bernadette O'Brien geborene Dusty Springfield (1939-1999) als Englands Vokalistin Nummer 1. Sie begann ihre Karriere anfangs der Sechziger in dem nicht unbeachteten Poptrio The Springfields. 1963 startete sie als Solistin durch, erlaubte sich einige Manierismen und war sodann aus der britischen Szene nicht mehr wegzudenken; 1966 gelang ihr mit "You Don't Have To Say You Love Me" ein Welthit von bleibendem Rang. Dusty Springfield war durchaus darauf spezialisiert, amerikanische Autoren zu interpretieren (Goffin/King, Mann/Weil, Bacharach/David, Randy Newman), deren Lieder sie samt ihrem verführerischen, gebrochenen Timbre zu gehobenem Pop für Erwachsene veredelte. Ursächlich dieses Umstands schien die Einladung nach Memphis/Tennessee und der Wechsel zu Atlantic Records fast zwangsläufig. Mit Hilfe eines Producerdreamteams nahm Dusty Springfield im Herbst 1968 die Liedersammlung für ihr Album "Dusty In Memphis" (Atlantic/Philips) auf, welches im Januar 1969 in den Läden auslag. Bei gegenseitiger Hochachtung verwirklichten die Kunstschaffenden ein ästhetisch ausgewogenes Programm über Frauenliebe und -leben und eines der wenigen bleibenden Alben einer Sixties-Sängerin des kommerziellen Betriebs. Sinnlich und betörend haucht Springfield ihre Melodien, mit Verlangen in der Stimme ... Im Gegensatz zu anderen West Coast-Bands
der Ära beschränkte die Musikgruppe
Love ihre
Aktivitäten auf den Küstenstreifen Kaliforniens und
gewann dadurch nie übermäßigen Ruhm oder Einfluss auf die restliche
Szene der Vereinigten Staaten. Mit Love, 1965 in Los Angeles gegründet, stellte sich die erste gemischtrassische, echt hippe Rockgruppe der Geschichte vor.
Dagegen, live in den Clubs von L. A. zu
spielen, fand die Band um Leader Arthur Lee (1945 Memphis/Tennessee - 2006) keine Gründe, sich jedoch zwecks Vermarktung der Musik zur Schau zu stellen,
wies Lee von sich. Zwei Langspielplatten von 1965/66 bilden lediglich Vorstudien zum Klassiker "Forever Changes" von 1967 (Elektra). Arthur
Lee (alles), Bryan MacLean (Gitarre, Gesang), Johnny Echols (Gitarre),
Ken Forssi (Bass), Michael Stuart (Drums) spürten, dass 1967 was in der
Luft lag, und Arthur Lees Kopfgeburt "Forever Changes"
bietet ein besonders magisches Abbild jener Zeitenwende. Da es im Sommer 1967 Spannungen in der Band gab, hatte Co-Produzent Bruce Botnick
Studiomusiker gebeten, bei der Umsetzung der
Kompositionen von Lee und MacLean mitzumischen. Es gestaltete sich
ein schwieriger, bruchstückhafter Aufnahmeprozess mit einer Band
in stiller Auflösung. Die Musik samt Klassiktouch ist mithin mystisch,
tieftraurig, flott mit Latino-Rhythmen aus dem Herzen
Tijuanas und gespickt mit rätselhaften Texten: "They're locking them up today,
they're throwing away the key, I wonder who it'll be tomorrow, you ore
me?" spricht Arthur Lee Schlüsselworte in "The Red
Telephone" mit einer Verbindung zum Jenseits.
The Children: Rebirth The Children, ursprünglich aus San
Antonio, Texas, gaben so etwas wie einen Arabischen Phönix des US-Rock wieder. 1967 walzte die fünfköpfige Clique (vormals The Mind's Eye) gen Kalifornien, kehrte zurück nach
Houston, Texas und erzeugte im Frühjahr 1968 beim
Label Cinema ihr
Werk "Rebirth" - eine Rarität, und eine der wunderlichsten Spielfolgen
aus dem Ölstaat. Stephen Perron, Louis Cabaza, William Ash, Andrew
Szuch und Sängerin Cassell Webb saßen an der Seite eines
Sinfonieorchesters im Studio und brachten mit Inbrunst außergewöhnliche
Musik hervor. Kompliment an Cabaza,
Perron und Ash, dass sie es verstanden, divinatorische ("Beautiful") oder wenigstens träumerische Lieder zu
schreiben von erlesener Schönheit. Die Hinführung zur Wiedergeburt wird
mit den Mitteln des Soul, psychedelischen Prunks ("Pictorial") und -
gar nicht schlimm - des Musicals eingeläutet. In nur wenigen
Klanggeflechten der Pophistorie sind die kontrapunktischen Linien des
Pianofortes (Cabaza) so wohlfeil ausgestaltet und mit der klug
disponierten Singstimme (Perron) derart geschickt verflochten wie im
Stück
"Don't Ever Lose It". Webb pflegt für "Sitting On A Flower" ein würziges Timbre, wenngleich sie bei
"I'll Be Your Sunshine" ihre Stimme in höhere Oktaven transponiert und
liebreizend vorträgt. Ungeachtet einiger Unzulänglichkeiten und
aufnahmetechnischer Mängel ist "Rebirth" von The Children eine
Offenbarung, und hätte
man das Orchester weggelassen, eine ungleich größere. Cassell Webb
verfolgt seit den 1980er Jahren eine geräuschlose Sololaufbahn in den
Staaten.
Bob Dylan: Highway 61 Revisited Auf 7 exemplarischen Langspielplatten
des Zeitraums zwischen Januar 1962 und August 1966 verewigte der Kaiser
aller Singer/Songwriter (am 24. Mai 1941 mit Namen Robert Allan
Zimmerman in Duluth, Minnesota, USA geboren) den gewichtigsten Teil
seines Lebenswerks. Bob Dylans Einfluss auf die Entwicklung der
Popgeschichte ist nur mit der Bedeutung von King Elvis und den Beatles
auf eine Stufe zu stellen. Seine Geltung für
alle ihm folgenden Folksänger ist beträchtlich, und seine lakonischen Songs mit
tendenziell kritischer Lyrik geben das Urbild ab, an dem sich
Weggenossen und Nachfolger auszurichten hatten. Der Amerikaner trug das
Banner der Revolte und war vorne dabei, als es darum ging, mit der
politischen wie sozialen Schieflage der Vereinigten Staaten
abzurechnen. Unvergessen ist auch sein Verhältnis mit Joan Baez. Beim
Newport Folk Festival 1965 zog Dylan die Empörung
von
Folkpuristen auf sich, da er vom rein akustischen Set absah und seine
Lieder mit einer exzellenten Band nun unverhohlen elektrifiziert
darbot. Gebot ihm sein freier Wille oder waren
es einfach nur neurologische Prozesse, die dazu führten, im Sommer 1965
eines seiner wichtigsten Alben - "Highway 61 Revisited" (Columbia) -
mit eben
jener
Band einzuspielen, die ihm in Newport den Rücken stärkte (Mike
Bloomfield, Al Kooper, Bobby Gregg, Harvey Goldstein). Musikalisch
spielt sich auf der von Bob Johnston produzierten Platte nicht
allzuviel ab. Master Dylan zieht seinen Folk plus Blues
durch,
liebt "die ewige Wiederholung" von Passagen, überzeugt durch veritable
Texte über Verlierer, Spießer und Rebellen und gab der Mitwelt dadurch
viel von Bob Dylan selbst auf den Weg. Die Bob-Dylan-Eskorte treibt ihr
Spiel angerauht und manchmal dissonant ("Like A Rolling Stone") und
steht nicht im Weg, wenn Dylan Luft in die Mundharmonika bläst.
Phil Ochs: Pleasures Of The Harbor Der
US-Amerikaner Phil Ochs (1940-1976) aus Texas war während der 1960er
Jahre ein Weggefährte von Bob Dylan, Tom Paxton, Pete Seeger und
anderen Liedermachern und Friedensbewegten. In einem Amerika glühender
gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Umbrüche richtete Ochs als
überzeugter Folksänger Lieder des Protests
an die Jugend der Staaten und schwenkte die
Fahne der Bürgerrechte. Bei der Firma
Elektra spielte der Singer/Songwriter zwischen 1964 und 1966 drei
Langspielplatten ein, die bei Kollegen und Publikum hohe Wertschätzung
erfuhren. Im Sommer 1967 wechselte der Barde zu A&M Records und
seine künstlerische Ausrichtung. Heraus kam das in
seiner lyrischen und musikalischen Komplexität aufrüttelnde
Album "Pleasures Of The Harbor", auf dem sich Phil Ochs in alle
Richtungen austoben konnte
(Baroque Pop, Dixieland, Klassik, elektronische Avantgarde). Der
Künstler beansprucht sehr die Aufmerksamkeit seiner Rezipienten, stellt
sich, indem er erzählt und erzählt, in die Mitte seiner musikalischen
Poeme, in denen es von Instrumenten aller Art flackert und worin jede
Lücke mit Noten zugegossen ist und verbreitet durch diese Lieder, in
denen geduldig die Motive variiert werden, mal
rührselig, mal langatmig, mal ergreifend
unterschiedliche Stimmungen in unterschiedlichen Räumen. In der Folge
unglücklicher Entwicklungen nahm sich der Balladier im April 1976 das
Leben.
Mike Bloomfield, Al Kooper, Stephen Stills: Super Session Die
Session, pardon - Supersession der Ehemaligen: Mike Bloomfield (1943-1981): Ex-Bob
Dylan, Ex-Butterfield Blues Band, Ex-Electric Flag und einer der
einflussreichsten Gitarristen der Ära; Al Kooper (*1944 Brooklyn):
Ex-Bob Dylan,
Ex-Blues Project, Ex-Blood, Sweat & Tears, kennerhafter Organist
und Produzent; Stephen Stills (*1945 Dallas): Ex-Au Go-Go Singers,
Ex-Buffalo
Springfield und Gitarrist und Sänger. Wie zu dieser Zeit üblich, traf man sich und spielte seinen Stoff, wie
einen die Lust gerade packte. 1968 gaben sich die drei Amerikaner ein Stelldichein und spielten mit
Unterstützung von Harvey Brooks, Eddie Hoh und Barry Goldberg bei CBS ihre legendäre, von Al Kooper produzierte "Super Session" ein. Auf Seite 1 der
LP brillierten Bloomfield und Kooper - E-Gitarre versus Hammond-Orgel - mit improvisiertem Blues- und Jazzrock vom
Allerfeinsten. Auf Seite 2 trafen mit Stills Folk und Beat ein, und die Musik geriet formal
geschlossener. Dass sich hoch entwickelte Technik und Ausdruck nicht
ausschließen, Virtuosität und Gefühl ein unzertrennliches Pärchen
bilden können, bewiesen die drei Spitzenmusiker auf dieser Scheibe eindringlich. Mit
Mike Bloomfield ging es nach seinem künstlerischen Zenit, den diese
68er Studioplatte markiert, nur noch abwärts. Al Kooper, nie unumstritten,
legte eine ansehnliche Solokarriere zurück. Stephen Stills knüpfte 1972 mit seiner Band Manassas an die große
Zeit der "Super Session" an.
The Byrds: The Notorious Byrd Brothers The
Byrds aus Los Angeles präsentierten sich 1965 als die auch in London
wahrgenommene, lautstarke amerikanische Antwort auf die Beatles. Ihren
Durchbruch erlebten sie mit Dylans "Mr. Tambourine Man". In der Folge
legten die pilzköpfigen Amerikaner
bei Columbia eine
Reihe überdurchschnittlicher Dokumente des
Zeitgeistes vor: "Turn!Turn!Turn!" (1965), "Fifth
Dimension" (1966), "Younger Than Yesterday" (1967) und schließlich "The
Notorious Byrd Brothers" (1968) definierten die Schreibweise
US-amerikanischer Rockmusik neu. Die Herren Roger McGuinn (Gitarre,
Gesang), Chris Hillman (Gitarre, Bass, Gesang), David Crosby (Gitarre,
Gesang) und Mike Clarke (Schlagwerk) schauten sich in den Staaten um
und stellten fest: "Hey! Wir sind mittendrin in dem Trubel, wir mischen
mit und legen als Popidole überdies Verhaltensweisen
fest, die unserer Generation eine Identität verleihen." Wie
alle guten Platten dieser Periode diente auch "The Notorious Byrd
Brothers"
ebenso als ein Spiegelbild gesellschaftlicher
Trends wie auch als Kommentar
zu den Strömungen, welche die Jugend
entflammten. Derweil das neue Werk Anfang 1968 in
den Handel kam,
war David Crosby, Sommer/Herbst 1967
als ein Byrd noch mitten im Aufnahmestudio,
schon nicht mehr dabei
(Stress mit den anderen).
Gleichwohl - die Amerikaner übertrafen sich selbst,
verfeinerten ihre Spielweise
und überraschten mit einem Songzyklus von fragiler Schönheit und
immensem Formenreichtum.
Julie Driscoll, Brian Auger & The Trinity: Streetnoise Kennen
gelernt hatte sich die
Londoner Zweiheit Brian Auger/Julie Driscoll über den Clubbesitzer und Produzenten Giorgio Gomelsky. 1965 zog Gomelsky mit
Auger/Driscoll und Rod Stewart und John Baldry die R&B-Supergruppe
Steampacket auf; sie scheiterten auf hohem Niveau. Brian Auger (*18. Juli 1939), zu seiner Zeit einer der besten
Instrumentalisten der Insel, tingelte mit seiner Trinity
durch die Lande und baute Brücken zwischen Jazz und Pop. Julie
Driscolls Solokarriere als kleine Schwester von Dusty
Springfield war schon im
Ansatz unerquicklich.
Als Lösung anerbot sich ab 1967 die erneute Symbiose zwischen Auger und
Driscoll, und mit Dave Ambrose am Bass und Clive Thacker am Schlagzeug
reihten sich Julie Driscoll, Brian Auger & The Trinity auf
Musikfestivals in Europa ein. 1968 gaben sie die LP
"Open" heraus; 1969 folgte das Doppelalbum "Streetnoise" (Polydor). Die alchymische Hochzeit
zwischen Driscoll/Auger führte bei dieser Platte zu fertiler
Schaffenskraft und einer fulminanten Fusion populärer Musikrichtungen:
Soul, Jazz, Folk, Blues, Gospel, R&B, Pop - alles drin. Brian
Augers Hammond B3 umhüllt Julie Driscolls Gesang von fast erschreckender Intensität.
Beglückend gestaltet sich zudem die Abfolge der Musikstücke auf
"Streetnoise". Im Wechsel des Ausdrucks von Trauer, Unglück und
Niedergang und des darauf folgenden Ausbruchs von Freude und Zuversicht verstärken die Musiker die Wirkung der Lieder und schaffen auffallende Kontraste. Nach Beendigung der zweiten
Plattenseite hat Driscoll,
nachdem sie sich emotional erschöpfte, erst einmal Pause und lässt das
Trio auf Seite drei alleine spielen. Für Seite vier kehrt sie ausgeruht zurück und entwirft in "Vauxhall To
Lambeth Bridge" ihre ironische Dialektik. Die Bedeutung der Frage, wie
wäre eine kontinuierliche Solokarriere der Driscoll wohl verlaufen,
hätte sie die Szene nicht verlassen, sollte nicht unterschätzt werden.
Hildegard
Knef: KnefAuch in Deutschland verstand man es, in
einigen Stunden glücklicher Übereinkunft gute Musik zu machen. Das
Zusammentreffen der deutschen
Diva Hildegard Knef (1925-2002) mit dem österreichischen Musiker,
Komponisten
und Arrangeur Hans Hammerschmid Mitte der 1960er Jahre ist als
Glücksfall zu bezeichnen. Die Schauspielerin und Sängerin schrieb für
dieses im Spätjahr 1969
durchgeführte, lakonisch "Knef" betitelte Plattenprojekt tiefgründige
Zeilen und Bonmots, die
Hammerschmid entsprechend deren Syntax und den phonetischen Eigenarten
der Nichtstimme der Knef vertonte; Ehemann David Cameron produzierte.
Es war eine völlig neue Knef, die sich mitsamt einem für deutsche
Verhältnisse innovativen
Programm bestehend aus Elementen des Beat, Psych, Folk,
Chanson und getragenen Schlagers einem zunächst verstörten Publikum
vorstellte. Nach der Sorge, auch die richtige Platte aufgelegt zu
haben,
stellte sich Verblüffung ein. Verblüffung über den Gesang der Deutschen in feierlichem Tonfall, der eher
reinem Deklamieren gleicht. Befremden ob der im Detail fantasievoll arrangierten, formal vielfältigen Kunstlieder mit Ecken und Kanten, Taktwechseln,
Harmoniesprüngen. Vielleicht Fassungslosigkeit wegen der tief
schürfenden Texte von Knef selbst über grundlegende Themen menschlicher
Existenz. Eines der wirklichen Vermächtnisse der Weltbürgerin!
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