Zum Seiteninhalt springen

Lehrbuch "Soziologie der Behinderung"

Jörg Michael Kastl: Einführung in die Soziologie der Behinderung
2. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage

Der menschliche Körper ist immer auch eine soziale Wirklichkeit. Umgekehrt hat jede soziale Praxis immer auch eine körperliche Dimension. Deshalb handelt es sich bei „Behinderung“ nicht um ein Randphänomen sozialer Erfahrung, sondern um eine der „Urszenen der Soziologie“ (Goffman). Diese These steht im Mittelpunkt der 2017 in zweiter Auflage erschienenen „Einführung in die Soziologie der Behinderung“. Sie wird auf unterschiedlichen Ebenen entfaltet: in Bild- und Textinterpretationen, im Überblick über unterschiedliche Gegenstandsbereiche, in theoretischen Überlegungen, in der Analyse neuester statistischer Daten (u.a. der WHO), in der Darstellung empirischer Befunde und in exemplarischen Analysen u.a. zu Themen wie „Inklusion“, „Freak-Show“ oder „nationalsozialistische Rassenhygiene“. Das Buch greift aktuelle Kontroversen auf und macht Vorschläge zu ihrer Lösung: Ist Behinderung eine Form gesellschaftlicher Unterdrückung? Wie kann man Behinderung „definieren“? Gibt es eine barrierefreie Welt? Ist Behinderung nur eine „soziale Konstruktion“? Was heißt das? Und was heißt „Inklusion“?

Dabei werden verschiedene mögliche Zugänge dargestellt und miteinander verknüpft: des symbolischen Interaktionismus, der Phänomenologie, der Disability Studies, des „sozialen Modells der Behinderung“, sowie der Körper-, Wissens-, Praxis- und Medizinsoziologie. Es werden wichtige soziologische Theorien und Autoren (Parsons, Luhmann, Bourdieu, Elias, Berger/Luckmann, Goffman u.a.) einbezogen sowie klassische Konzepte der Behinderten- und Behinderungssoziologie (abweichendes Verhalten, Etikettierung, Stigma, Liminalität, Integration, Teilhabe, Inklusion) aufgegriffen und systematisiert. Darüber hinaus werden Anschlüsse zur internationalen und interdisziplinären Diskussion hergestellt (Geschichtswissenschaft, Ethnologie, Psychoanalyse, Neurowissenschaften, Sonderpädagogik, Rechtswissenschaft).

Das Lehrbuch ermöglicht so eine mehrperspektivische körpersoziologisch fundierte Sichtweise von Behinderung. Es reduziert das Phänomen „Behinderung“ weder auf die Realität einer körperlichen Schädigung, noch auf soziale Wahrnehmungen, Vorurteile und Einstellungen, noch auf soziale und symbolische Konstruktionen. Vielmehr versucht es diese unterschiedlichen Ebenen aufeinander zu beziehen und in ihrem Zusammenhang in den Blick zu bekommen. Es richtet sich ebenso an Lehrende und Studierende, die an soziologischen Fragen interessiert sind, wie an Lehrende und Studierende der Sozial-, Heil- und Sonderpädagogik.

Die im Jahr 2010 erschienene erste Auflage wurde einer gründlichen und vollständigen Überarbeitung und Erweiterung unterzogen. Statistische Angaben wurden aktualisiert und Verweise auf neuere Forschungsarbeiten aufgenommen. Wichtige Konzepte wurden weiterentwickelt. Dazu gehört insbesondere die an Jacques Lacan anknüpfende Begriffstriade Imaginäres-Reales-Symbolisches und das Verständnis von Inklusion. Das Verhältnis der für die öffentliche Debatte so wichtigen Konzepte » Inklusion «, » Integration « und » Teilhabe« wurde ausgearbeitet, präzisiert und in einem eigenen Kapitel zum Gegenstand gemacht. Das Kapitel » Konstruktion von Behinderung« wurde in drei Unterkapitel aufgeteilt und insbesondere durch Recherchen zur Geschichte der deutschen » Rassenhygiene « ergänzt.

Das Lehrbuch ist ein laufendes Projekt und wird einer weiteren Neubearbeitung und Aktualisierung unterzogen.