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Weshalb

Weshalb Kulturgenossenschaften?

Im Jahr 2016 wurde „die Idee und Praxis, gemeinsame Interessen in Genossenschaften zu organisieren“, in die UNESCO Repräsentativliste des Immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen. Damit fand eine sozio-ökonomische Organisationsform ihre offizielle kulturelle Anerkennung, die in ihrer modernen Erscheinungsform vor rund 200 Jahren erfunden wurde. Schon zuvor hatte die UN der Genossenschaftsbewegung die Referenz erwiesen und das Jahr 2012 zum Jahr der Genossenschaften erklärt. Dass diese Anerkennung zu diesem Zeitpunkt erfolgte, hängt damit zusammen, dass die Genossenschaftsbewegung nach einer längeren Phase der Stagnation neuen Aufschwung erfährt und ihre Geschäftsfelder in Tätigkeitsbereiche und Wirtschaftssektoren ausgedehnt hat, die traditionell nicht zu ihrem angestammten Aktionsbereich gehörten. Dazu zählt auch der Kultursektor.

Seit 2003 gibt es das Statut der Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperativa Europea – SCE). Es schuf den rechtlichen Rahmen für grenzüberschreitende Genossenschaften in der EU und fand auch seinen Niederschlag in Deutschland in dem 2006 novellierten Genossenschaftsgesetz. Zwar gab es auch zuvor schon Genossenschaften, die vereinzelt im Kultur- und Mediensektor tätig waren. Mit der Novellierung wurde aber der für Genossenschaften notwendige Förderzweck explizit auf soziale und kulturelle Belange erweitert. Damit wurde die für kulturelle Initiativen typische Verfolgung ideeller Ziele ähnlich wie in einem Verein, nun aber in der Rechtsform einer Genossenschaft, möglich. Seitdem sind Dutzende von Kulturgenossenschaften in Deutschland als Träger von Kinos, Theatern, Museen, Verlagen oder Agenturen sowie von Initiativen zur Erhaltung des kulturellen Erbes entstanden.

Ein Kennzeichen von Genossenschaften sind die Prinzipien der Selbsthilfe, der Selbstverwaltung und -verantwortung. In diesen Grundwerten spiegeln sich elementare Anliegen kultureller Initiativen – das Verlangen nach Unabhängigkeit und der Wunsch, sich mit den eigenen Möglichkeiten gestaltend einzubringen. Unternehmerische Selbstverantwortung, solidarisches Miteinander und demokratisch verankerte Partizipation stellen Momente dar, die Genossenschaften prägen und Kultureinrichtungen in pluralistischen Gesellschaften unter Marktbedingungen angesichts gesteigerten Konkurrenzdrucks besondere Chancen bieten.

Genossenschaften sind auch zu einem Modell der Arbeitsorganisation im Kulturbetrieb und in der Kreativwirtschaft geworden. In einem Sektor, der bekannt ist für prekäre Beschäftigungsverhältnisse, für regelmäßige zeitliche Überforderung und Vereinzelung, bietet das Genossenschaftsmodell die Möglichkeit, eine neue Arbeitskultur der gegenseitigen Unterstützung, der Kooperation und der Solidarität zu schaffen. Kulturgenossenschaften sind Einrichtungen, die den Mitgliedern selbst gehören und von ihnen betrieben werden. Sie haben keine externen Anteilseignerinnen oder -eigner, keine einzelnen Besitzerinnen oder Besitzer und weniger hierarchische Strukturen. Und anders als bei Freelancern arbeiten Genossenschaften gemeinhin kooperativ und solidarisch mit einem festen Stamm von Mitgliedern zusammen.

Noch steht das Modell der Kulturgenossenschaften am Anfang seiner Entwicklungspotenziale. Umso spannender ist es zu verfolgen, welche Richtung es nimmt und was es künftig bewirkt.