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Prozesse riskieren! Partizipation gestalten!

Isle of Empowerment! Das Partizipationsspiel des BW-Jugendkunstschultags 2023 am DAT Böblingen in Kooperation mit der PH Ludwigsburg

Ein dunkler, großer Theaterraum. Schwarze Moltonvorhänge rundherum, warmes, festliches Licht. Zwei Stuhlreihen umgeben ein Podest in der Mitte. Auf diesem liegen Spielbretter in Form von Hexagonen, wie eine große Insel in einer merkwürdigen Form. Atmosphärische Musik. Menschen betreten den Raum. Der Aufbau wirkt wie ein Versprechen und weckt Neugier.
So begann das Spiel „Isle of Empowerment“ am BW-Jugendkunstschultag 2023 am DAT in Böblingen. Unterstützung erhielt dieser Tag in diesem Jahr von Studierenden der PH Ludwigsburg.

Ansicht Spielbereich

Ein Jahr Partizipation
Wie funktioniert Partizipation? Ein Jahr lang beschäftigten sich die Jugendkunstschulen in Baden-Württemberg mit dem Thema auf unterschiedliche Weise. Der 34. Kunstschultag am 20. Oktober 2023 sollte nun die Gelegenheit bieten das Wissen zu bündeln und auch ganz praktisch erfahrbar zu machen.
Ziel des Tages war es mit den ca. 70 Jugendkunstschulleiter*innen und ca. 15 DAT Botschafter*innen im Alter von acht bis zwölf Jahren das Thema „Partizipation“ erleb- und erfahrbar zu machen, um das „Jahr der Partizipation“ zu einem runden Abschluss zu bringen.
Nur, wie konnte das konkret aussehen?


Ein Zeitsprung an die Anfänge der Vorbereitungen
Mit dieser Frage trat Sabine Brandes (Geschäftsführerin des Landesverbandes für Jugendkunstschulen) und Prisca Maier-Nieden (Leiterin der DAT Jugendkunstschule in Böblingen) auf Tanja Frank (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der PHL in der Abteilung Kultur- und Medienbildung) zu. Die Idee wurde geboren, im Rahmen eines Seminars ein Spielformat zu entwickeln, bei dem Partizipation ganz konkret erlebbar wurde. Die Recherchen dazu begannen im Sommersemester 2023 mit zehn Studierenden aus den Studiengängen Kultur- und Medienbildung (BA) und Kulturelle Bildung (MA).


Das Spiel! Ein partizipativer Entwicklungsprozess
Im Seminar stand zuerst die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Begriff „Partizipation“ im Fokus. Wann findet eine gleichberechtigte Teilhabe von verschiedenen Gruppen in einem Entscheidungsprozess statt? Welche Bedingungen müssen dafür gegeben sein? Als Orientierung diente dafür die Partizipationspyramide nach Wright, Block, und von Unger (2010), die jede Stufe als Steigerung der eigenständigen Mitbestimmung von Teilnehmenden beschreibt. Für jede Stufe der Partizipation wurden von der Gruppe Ideen entwickelt, die die Form der Mitbestimmung im Spiel in eine Aktion übersetzten.
Durch die tatsächliche Auftragslage des Jugendkunstschultages mit Budget für Material und Aufwandsentschädigungen für die Studierenden und dem herannahenden Termin entwickelte sich ein kreativer Flow, der sich nur in der Ernsthaftigkeit der Aufgabenstellung so fruchtbar entfalten konnte.


„Isle of Empowerment“ - Spielaufbau
Ausgangspunkt für die letztendliche Ausgestaltung des Partizipationsspiels „Isle of Empowerment“ war, dass Partizipation in Artikeln meist im Kontext von Bauvorhaben z.B. der Gestaltung eines Spielplatzes der Anwohner*innen eines Stadtteils Anwendung findet. Daraus entwickelte sich die Idee die Beteiligten am Jugendkunstschultag in eine imaginäre Welt zu führen, die sie gemeinsam als Gruppe neu bebauen und mit ihren Ideen gestalten konnten.
Diese Phase der Realisierung bedeutete vor allem die Herstellung von zahlreichen Spielbrettern im Hexagon-Format auf dem jeweils 21 kleinere Hexagone ihren Platz fanden. Diese wurden in stundenlanger Arbeit im Makerspace der PH Ludwigsburg mit einer Lasertechnik aus Holz hergestellt. Außerdem hieß es u.a. passendes Material zusammenzutragen, mit dem die Gruppen ihre Inselstädte später bauen konnten.
Am Jugendkunstschultag führte eine Stimme aus dem Off die Teilnehmenden in eine utopische Welt, in der sie als Gruppe eine neue, noch unbewohnte Insel entdecken. Diese liegt in Form der großen Hexagone in der Raummitte. Zuerst werden der ganzen Gruppe Entscheidungsfragen gestellt, wie sie sich zuerst auf der Insel verhalten, über die die Gruppe über die Positionierung im Raum abstimmten („Gehst du jagen oder sammeln? Entscheidest du dich für Vertrauen oder Kontrolle?“). Anschließend teilte sich die große Gruppe mithilfe von Farbpunkten in mehrere Kleingruppen auf, die nun jeweils in einen separaten Raum in einer benachbarten Schule geführt wurden. Dort stand ein vorbereiteter Tisch mit Spielbrett bereit. Dieselbe Stimme aus dem Off, die sie davor schon im Saal begrüßt hatte, nahm sie auch hier in Empfang und führte sie in die Aufgabe ein, nun die Stadt ihrer Vorstellungen zu bauen. Ein Tisch mit Materialien stand bereit. Über ein Tablet wurde die verbleibende Zeit angezeigt. Über die Chatfunktion gab es die Möglichkeit mit dem Spielleiter*innen-Team außerhalb des Raums zu kommunizieren. Manche Gruppen nutzen dies, um sich neues Baumaterial zu bestellen oder gar alternative Musik zu ordern.
Außer ein paar Vorgaben, wie die Platzierung eines Berges und eines Flusses stand es den Teilnehmenden frei wie sie das Miteinander auf der Insel gestalteten. Ein Papier mit Inspirationsfragen zur Mobilität, Gesundheitswesen und Nahrung regten zu Diskussionsstoff an. Es mussten Entscheidungen getroffen und Ideen ausgetauscht werden und langsam entstanden utopische Städte. Nach zwei Stunden Bauzeit in den Kleingruppen werden sie von der Stimme aus dem Off zum Zusammenkommen aufgefordert. Mit den bunt bebauten Hexagonen in der Hand finden sich alle wieder im gemeinsamen Theaterraum ein. Die Spielflächen werden an ihren angestammten Platz zurückgelegt und ergeben in ihrem Zusammenspiel ein Anblick von Kreativität und Lebendigkeit. Aus der leeren Insellandschaft war ein utopischer Raum mit detailreichen Landschaften, Seilbahnen, Ackerflächen, Versammlungsplätzen und Naturräumen entstanden.


Wie wurde das Ergebnis präsentiert?
Mit Stolz und Freude berichteten Kinder und Erwachsene von dem, was auf der eigenen Insel entstanden war. Dazu konnte mit einem Selfiestick, an das ein Handy eingespannt war, durch die Miniaturstädte geflogen werden. Das Bild wurde dabei auf eine große Leinwand übertragen. Gedanken und Hintergründe zum Gebauten konnten so für alle anderen Teilnehmer*innen hör- und sichtbar werden.


Fazit
Für alle Spieler*innen stand der Prozess des Bauens in den Kleingruppen im Fokus. Nicht das Produkt am Ende war das Ergebnis das zählte, sondern der Prozess des gemeinsamen Entscheidens und Gestaltens der Insel. Dies wurde in der regen Mitteilung beim Flug mit dem Handy durch die bunten Städte deutlich, die u.a. Fahrradstellplätze, Seilbahnen, grüne Energiequellen, Versammlungshäuser, E-Fahrradständer, Rutschen, Streichelzoos und Wasserkraftanlagen auf sich versammelten.

Dem Spiel gelang es Partizipation über eine imaginäre Welt sicht- und erfahrbar zu machen. Die Annahme des Spiels und die Begeisterung, die es bei den Teilnehmenden auslöste war ein schöner Lohn für die vorbereitende Arbeit der Studierenden. Die Wahl des Planens und Bauens mit unterschiedlichen Materialien entsprach den Jugendkunstschulleiter*innen, die mit den Objekten schnell vertraut waren und geschickt die Materialien nutzen, um neue Orte ihrer Utopien zu gestalten.
Die Kooperation zwischen dem DAT Böblingen, Sabine Brandes und Tanja Frank konnte gelingen, weil die Kommunikation zwischen diesen drei Säulen stehts bestand und jeder Schritt der Studierenden von Anfang an untereinander transparent kommuniziert wurde.
Für mich als Lehrende war dieses Projekt eine neue Erfahrung: Es bestand für mich die Verantwortung und Situation ein reales Projekt mit den Studierenden umzusetzen von dem auch ich nicht wusste, ob es tatsächlich gelingen würde. Gemeinsam mit den Studierenden in den Entwicklungsprozess einzutauchen brachte Nähe und Arbeit auf Augenhöhe mit den Studierenden. Aus diesem Projekt lässt sich viel für zukünftige Projekte lernen.

Quellen:
Heinrich, Bettina, 2022: Da geht noch etwas und muss mehr! Beteiligung, Partizipation und Teilhabe in der Kulturellen Bildung. In: kubi – Magazin für Kulturelle Bildung: Beteiligung – ein Recht in echt? Nr. 23. Bundesvereinigung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (Hrsg.). S. 4-9
Wright, M. T. (Hrsg.) (2010). Partizipative Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung und Prävention. Bern: Hans Huber.