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Aktuelle Lehrveranstaltungen

Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2024/2025

Im Wintersemester 2024/2025 biete ich folgende Veranstaltungen an:

1. Menschen kategorisieren - Menschen dekategorisieren: Diversität, Inklusion und der Ansatz der "Humandifferenzierung". Donnerstags, 14.15 bis 15.45 Uhr, Raum 8A/003, ab 17.10.2024

Menschen kategorisieren ist nichts Besonderes. Menschen kategorisieren einander in nahezu allen sozialen Situationen auf jeweils sehr verschiedene Weise. Immer sind diese Kategorien relational und relativ. Ich werde in aller Regel nicht schlechthin und unter allen Umständen als: Mutter, Geigenspieler*in, Katholik*in, Transmann, Realschüler*in oder Baden-Württemberger*in kategorisiert. Manche dieser Kategorien sind flüchtiger und situativer, manche scheint aber über viele verschiedene Situationen hinweg eine Bedeutsamkeit zugeschrieben zu werden. Dazu gehören einerseits Menschen abwertende und ausgrenzende negative Kategorisierungen, wie z.B. Vorurteile, Stereotypen, Stigmatisierungen, andererseits - paradoxerweise - Kategorien von Menschen, wenn sie Gegenstand von Diversitäts-, Inklusions- und Teilhabe-Diskursen sind. Wir werden uns mit den Mitteln der Soziologie und der in den 2010er-Jahren von Stefan Hirschauer u.a. entwickelten Theorie der Humandifferenzierung mit diesen Paradoxien aktueller Diversitätsdiskurse und damit auch mit aktuellen Fragestellungen von Gender (bzw. Sexismus), Behinderung (bzw. Ableismus), "Race" (bzw. Rassismus), sexueller Orientierung (bzw. Homo-, Trans-, u.a.-Phobie) und sonstigen Formen sozialer Benachteiligung befassen und versuchen dafür einen Bezugsrahmen zu entwickeln, der ansatzweise aus den Widersprüchen der (De-)Kategorisierung heraus führt. In diesem Seminar werden u.a. Formen der symbolischen und realen Diskriminierung und Abwertung von Menschen zum Thema gemacht, beim Namen genannt und ggf. - um sie der kritischen Analyse zugänglich zu machen - auch zitiert.     

Eine benotete Leistung wird über die Ausarbeitung einer Präsentation (Beitrag zum Seminar) erworben.

2. Nationalsozialismus, Sonderpädagogik und die Ideologie der "Rassenhygiene". Zur Geschichte der Behinderung in Deutschland. Donnerstags, 16.15 -17.45 Uhr, Raum 8A/003, ab 17.10.2024

Nationalsozialismus und Behinderung - das ruft zunächst die Tatsache eines historisch beispiellosen Massenmordes an behinderten, psychisch beeinträchtigten und kranken Menschen im Deutschland der 1930er und 1940er-Jahre auf. Im Mittelpunkt des Seminars wird die Aufarbeitung historischer, gesellschaftlich-institutioneller und wissenssoziologischer Voraussetzungen für dieses Geschehen stehen. Dabei ist es besonders wichtig zu verstehen, dass dessen ideologische Grundlegung ursprünglich nicht eine Erfindung des Nationalsozialismus als politischer Programmatik war, sondern bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert auf dem Boden der bürgerlichen Medizin unter dem Titel "Rassenhygiene" erfolgte. Wir werden im Seminar die These diskutieren, ob nicht erst die prinzipielle Anfälligkeit des deutschen Bürgertums für diese Ideen den Entwicklungen im "3. Reich" den Weg bereitete. Dabei wird Norbert Elias Analysen über die Habitusentwicklung des deutschen Bürgertums im 19. und 20. Jahrhunderts Rechnung getragen.

Nach einem historischen Überblick über die Geschichte der Rassenhygiene im Kontext der deutschen Geschichte zwischen 1848 und 1945 sowie der institutionellen Entwicklung der Sonderschulpädagogik in der Zeit des Nationalsozialismus bildet die gemeinsame Analyse und Interpretation zeitgenössischer Quellen einen Schwerpunkt der Seminararbeit. Dabei und vor allem am Ende des Seminars können auch geschichtsdidaktische Fragestellungen diskutiert werden, die insbesondere den Status von Quellenarbeit im Unterricht bzw. bei der historisch-politischen Bildung betreffen.

In diesem Seminar werden wir uns mit extremen Formen von physischer Gewalt gegen Menschen sowie Extremformen der symbolischen Entwertung von Menschen auseinandersetzen. Diese werden  beim Namen genannt und in Form von Texten, Textzitaten sowie Bildmaterial einer kritischen Analyse unterzogen. Wer damit Probleme hat, sollte dieses Seminar nicht besuchen.

Eine benotete Leistung wird über die Ausarbeitung einer Präsentation (Beitrag zum Seminar) erworben.

3. Professionalität und Professionalisierung in der schulischen und außerschulischen Sonderpädagogik. Freitags, 10.15-11.45 Uhr, Raum 8A/003, ab 18.10.2024

Was eigentlich "Professionalität" in Bezug auf pädagogisches und sozialpädagogisches Handeln meint, ist durchaus umstritten. Die Diskussion bewegt sich dabei zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite findet sich eine omnipräsente Semantik von Qualitätsmanagement, Kundenorientierung und "lernender Organisation". Pädagogisches Handeln, das sich an ausformulierten Leitbildern, möglichst sog. "smarten" Zielen und Qualitätsstandards orientiert, wird mit "professionell" gleichgesetzt, letztlich aber auf bürokratisch-administratives Handeln reduziert. 

Das andere Extrem könnte man mit der Zuschreibung "Pädagogik der Aufdringlichkeit" (Helsper) charakterisieren. Für dieses Verständnis von Professionalisierung ist die undifferenzierte Betonung der Ganzheitlichkeit des pädagogischen Handelns typisch. Der "ganze Mensch", das Individuum und seine "Bedürfnisse" stehen angeblich im Mittelpunkt, die "pädagogische Beziehung" sei das A und das O. Hier wird der Charakter der "funktionalen Spezifizität” des pädagogischen Handelns geleugnet, ungenügend gesichert oder sogar strukturell überschritten. Pädagogisches Handeln wird tendenziell nach dem Muster von Freundschafts- oder Familienbeziehungen verstanden.

Das in diesem Seminar vorgestellte Verständnis von Professionalität und "professionellem Handeln" geht von einem soziologischen Verständnis von "Professionen" als einer speziellen Art von Berufen aus. Sie zeichnen sich durch Wissenschafts- und Klientenbezug gleichermaßen aus, besitzen ein hohes Maß an funktionaler Autonomie, bearbeiten Krisenerfahrungen zielen auf die (Re-)Autonomisierung ihrer Klient*innen ab. Beispiele hierfür sind Ärzte, Juristen, Therapeuten, Lehrer, Sozialarbeiter. Daraus folgen keine Perfektionsmodelle, sondern Modelle der fallspezifischen Ausgestaltung und Ausbalancierung von Spannungsverhältnissen und dem professionellen Handeln inhärenten Widersprüchen/Paradoxien: von Abhängigkeit und Autonomie, Reflexion und Handlungsfähigkeit, Bindung und Entbindung, Rolle und ganzer Person, Organisation und Fallbezug.

Im ersten Teil des Seminars werden wir uns zunächst über die alltagssprachliche und wissenschaftliche Bedeutung von Begriffen wie "Professionalität", "professionelles Handeln" und "Professionen" verständigen. Dann werden wir im Anschluss an soziologische und erziehungswissenschaftliche Konzepte von Oevermann, Schütze, Helsper, Combe u.a. mit der Erarbeitung eines Begriffs pädagogischer Professionalität in Schule und außerschulischer Arbeit befassen.

Im zweiten Teil werden wir uns unter der Überschrift "Pädagogische Professionalität im Sinkflug?" mit verschiedenen aktuell diskutierten Deprofessionalisierungsphänomenen befassen, zum Beispiel:

  • (Reform-)Pädagogik als Religionsersatz?
  • Sexueller Missbrauch als Deprofessionalisierungsphänomen? Pädagogen (und Theologen) in der totalen Institution.
  • Sonderpädagogische Professionalität an den Grenzen der Intimität?
  • Team-Teaching zwischen Professionalisierung und Deprofessionalisierung?
  • Bürokratisierung total? Kundenorientierung, Qualitätsmanagement und Controling an Schule und Hochschule.
  • "Aktivierender Sozialstaat" und "Sozialraumorientierung" - Deprofessionalisierung der Sozialarbeit (Jugend- und Behindertenhilfe/Sozialpsychiatrie)?

Eine benotete Leistung wird über die Ausarbeitung einer Präsentation (Beitrag zum Seminar) erworben

4. Methodenwerkstatt II: Qualitative Methoden.  Freitags 12.15 Uhr bis 14.30 Uhr,  Raum 8A/003, ab 12.4.2024

Etwas über (sonder-) pädagogische Praxis oder Lebenswelten von Schüler*innen, Klient*innen und die sie betreuenden Profis lernen - statt mit Theorie und Literaturrecherchen mal mit eigener Feldforschung? Mit den Leuten sprechen statt über sie? Interviews, Befragungen mit Fragebögen, teilnehmende Beobachtung? Das ist meistens eine gute Idee! Aber wie geht man dabei vor, von der ersten Idee bis zur sorgfältigen Analyse des dabei gewonnenen Materials?

Das Problem ist, dass man Methoden qualitativer und quantitativer Sozialforschung ebenso wenig nach Handbuch erlernen kann wie Autofahren, Fliesenlegen oder Trompete spielen. Die Methodenwerkstätten, von Peter Jauch und Jörg Michael Kastl durchgeführt, sollen gemeinsames „Learning by Doing” aller Teilnehmer*innen ermöglichen – an konkreten Forschungsproblemen und „Datenmaterial” aller Art (z.B. Daten aus Fragebogen-Befragungen, Interviews, teilnehmenden Beobachtungen, Akten und anderen Dokumenten).

Sie richten sich an alle, die etwas über Forschungsmethoden lernen und/oder in eigenen Studienprojekten, Masterarbeiten oder für ihre Dissertation forschen und sich darüber mit anderen austauschen wollen. Es werden zwei Methodenwerkstätten angeboten:

  • Peter Jauch übernimmt die Werkstatt mit Schwerpunkt auf quantitativen Methoden (z. B. standardisierte Beobachtungen, Befragungen mit Fragebögen, Evaluationen, statistische Auswertungen mit SPSS u.a.);
  • Jörg Michael Kastl übernimmt die Werkstatt mit Schwerpunkt auf qualitativen Methoden (z.B. narrative Interviews, Auswertungen mit objektiver Hermeneutik/Grounded Theory).

Denkbar sind – je nach den Interessen der Teilnehmer*innen - auch phasenweise Kooperationen der beiden Werkstätten/ein Wechsel zwischen beiden Veranstaltungen.

Es können alle Studierenden und Promovierenden, die in irgendeiner Form empirisch arbeiten oder dies vorhaben, ihre Überlegungen, Probleme, Ideen, Forschungsinstrumente, Daten einbringen - zum Beispiel bei kleinen und großen Projekten während des Studiums, im Zusammenhang mit Masterarbeiten, Dissertationsprojekten. Es spielt dabei keine Rolle, in welchem Stadium der Überlegungen Sie sind. Die Veranstaltung lebt von der Diskussion in der Gruppe, wir legen großen Wert auf die Diskussion von allen mit allen. Ausgangspunkt sind stets die sich konkret stellenden Forschungsprobleme.

Die Werkstätten sind offen für alle Studierende der Fakultät für Teilhabewissenschaften und der Pädagogischen Hochschule insgesamt, die etwas über Methoden lernen wollen. Für Studierende, die von  Peter Jauch oder/und Jörg Michael Kastl bei Abschluss- oder Projektarbeiten mit empirischen Anteilen betreut werden, ist ein Besuch verbindlich.

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