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Exkursion in den Nordwesten der USA 2017

Geographische Großexkursion in den Nordwesten der USA

Von: Peter Kirchner

Den Nordwesten der USA mit den Bundesstaaten Oregon, Washington, Idaho, Montana und Wyoming, erkundeten 18 Studierende der Abteilung Geographie während einer 18-tägigen Großexkursion unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Kirchner und Rolf Kutzke. Neben den faszinierenden Naturlandschaften bildeten die Metropolregion Portland und die Partneruniversität Montana State in Billings die Schwerpunkte der Exkursion. 

Im Sommersemester 2017 hatten sich die Studierenden in einem Seminar in Form von Referaten und durch die Erstellung einer Materialsammlung intensiv auf die Exkursion vorbereitet. Für die Tagesthemen und -standorte vor Ort waren jeweils ein oder zwei Experten/Expertinnen verantwortlich. Da die Gruppe mit insgesamt fünf Mietfahrzeugen als Selbstfahrer unterwegs war, mussten die Tagesverantwortlichen auch die Navigation zu den Standorten übernehmen.

Die als Rundreise organisierte Exkursion begann in Portland, das als Kernstadt mit knapp 600.000 und Metropolregion mit ca. 2,5 Mio. Einwohnern größenmäßig mit Stuttgart vergleichbar ist. Die Wirtschaftsstruktur von Portland ist über den Transpazifikhandel hinaus durch eine gesunde Mischung aus Großkonzernen wie Intel und Nike sowie eine durch handwerklich und kunsthandwerklich geprägte sogenannte Artisan Economy gekennzeichnet. An den Standorten von Adidas Village, Nike Headquarters und Columbia Sportswear Headquarters wurden die Ursprünge und Wertschöpfungsketten des weltweit größten Outdoor und Athletics Clusters erarbeitet. Auf eine von den insgesamt 40 Mikrobrauereien als Beispiel für die Artisan Economy traf die Exkursionsgruppe zum Abschluss ihres ersten Tagesprogramms in der fahrrad- und fußgängerfreundlichen Downtown von Portland.

Der zweite Tag führte entlang der wildromantischen Pazific Coast. Am Vormittag verhinderte der über einer kalten Meeresströmung typische Nebel noch die spektakulären Ausblicke. Am Nachmittag löste die stärker werdende Sonne dann aber wenigsten teilweise den Nebel auf, so dass die Beispiele für die Formungsprozesse und Formen der Steil- und Flachküste in gutem Licht erschienen. Aber auch der berühmte Brandungspfeiler des Haystacks beeindruckte durch sein Emporragen aus dem Nebel.

Der dritte Exkursionstag leitete mit der Fahrt zum Mount St. Helens das Dauerbrenner-Thema Vulkanismus ein. Der Mount St. Helens gehört zu der Kette von Schichtvulkanen, die entlang der Subduktion der Juan-de-Fuca-Platte unter die Nordamerikanische Platte entstanden sind. Der Ausbruch von 1980 setzte durch die sich aufblähende Magmakammer zunächst mit einer Reihe von Erdbeben ein, die auf der Nordseite einen gewaltigen Felssturz auslösten. Bald darauf folgte auf dieser Seite eine plinianische Eruption mit pyroklastischen Strömen. 57 Menschen kamen durch die unerwartete Vulkaneruption ums Leben.

Die geplante Fahrt durch die Schlucht des Columbia-Flusses östlich von Portland musste wegen der dort durch feuerwerkende Jugendliche ausgelösten Waldbrände ausfallen. Stattdessen führte die Route zu zwei Standorten des John Day Fossil Parks südlich am schneebedeckten Vulkankegel des Mount Hood vorbei in die steppenähnliche High Desert von Zentral-Oregon. Die Vulkankette der Kaskaden wirkt als Wetterscheide bzw. Wolkenfänger. Von einem wolkenverhangenen und verregneten Mount Hood fuhr der Exkursionskonvoi in die wolkenlose Hochwüste mit einem strahlen blauend Himmel ein. Der Klimakontrast zeigt sich auch in der Vegetation. Die hochaufragenden und stark bemoosten Nadelwälder des Kaskadengebirges werden von lichten Kiefernwäldern auf der östlichen Leeseite abgelöst und gehen in eine baumlose Steppe mit Gräsern und Büschen (Sagebrush/Beifuß und Juniper/Wacholder) über. Die schon tiefer stehende Sonne ließ die Painted Hills im John Day Fossil Park in besonders gutem Licht erscheinen. Die Farben dieser Badland-Formation entstanden durch die Oxidation der unterschiedlichen Metalle, wie z.B. roter Hämatit und schwarzes Mangan.

In der Nähe von Baker City im Nordosten von Oregon suchte die Exkursionsgruppe ein Besucherzentrum am Oregon-Trail auf. In der Zeit zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Fertigstellung der transpazifischen Eisenbahn in den 1870er Jahren nahmen Tausende von Siedlern die Strapazen eines in St. Louis oder Kansas City beginnenden und vier bis sechs Monate dauernden Planwagen-Trecks nach West-Oregon auf sich. Die Grenze zwischen Oregon und Idaho bildet der Hells Canyon, der mit 2,4 Kilometern noch tiefer als der Grand Canyon ist, aber ebenso als antezedentes Durchbruchstal in einem sich hebenden Gebirgskörper entstanden ist. Für die an diesem Exkursionstag ca. 300 in klimatisierten Mietwägen zurückgelegten Meilen hätten die Siedler damals drei Wochen gebraucht.

Nach einem kurzen Abstecher zum State Capitol in Boise führte die Route in Süd-Idaho durch die 600 Kilometer lange und 60 bis 80 Kilometer breite Ebene des Snake-Flusses. In dem nur etwa 10.000 Jahre alten Lavafeld des Crater of the Moon Parks machten sich die Studierenden mit verschiedenen Lava-Arten (Strick- und Brockenlava), Vulkanvollformen (Spritz- und Schlackenkegel) und Lavahöhlen bekannt. Bereits in der Abendsonne erkundete die Gruppe das Dünenfeld beim Sand Hills Resort im östlichen Idaho. Von der Beobachtung der Bewegung der winzig kleinen Sandkörner bis zur Besprechung der Herkunft des Sandes und der Dünenformen reichte hier das Aufgabenspektrum. 

Die nächsten beiden Tage standen im Zeichen des ältesten Nationalparks der Welt, des bereits 1873 gegründeten Yellowstone Nationalparks. Neben dem Grand Canyon of the Yellowstone mit seinen Upper und Lower Falls standen die postvulkanischen Erscheinungen in Form von Geysiren, heißen Quellen, Mofetten und Schlammvulkanen im Mittelpunkt. Unter dem Yellowstone-Gebiet befindet sich in geringer Tiefe eine sehr große Magmakammer, durch die die postvulkanischen Oberflächen-Phänomene angefeuert werden. Besonders beeindruckend ist der Prismatic Lake mit seinem durch unterschiedliche Mikroorganismen bedingten Farbenspektrum. 

Den östlichsten Punkt der Exkursion errichte die Gruppe beim Besuch der Montana State University in Billings. Leider kam es mit unserer Ankunft dort nach 73 Tagen ohne Regen auch zu einem Wetterumschwung mit einem Temperatursturz, Wind und Regen für die nächsten zwei Tage. Nach einer Führung über den Uni-Campus nahm die Gruppe an einer Vorlesung von Prof. Dr. Susan Gilbertz teil und lernte dabei auch amerikanische Studierende kennen. Am Abend besuchten die Studierenden ein spannendes Volleyballspiel der Yellow Jackets genannten Volleyball-Damenmannschaft unserer Partner-Universität. Ein denkwürdiger Ausflug fand zum wind- und regenumbrausten Pompeys Pillar statt. An diesem Sandstein-Zeugenberg am Yellowstone Fluss nördlich von Billings hat William Clark die einzige Inschrift der Überlandexpedition von Lewis und Clark zum Pazifik im Jahr 1806 hinterlassen. Die anschließende Erkundung eines Abschnittes des Yellowstone Flusses auf dem Privatbesitz von Jerry und Conny Hanson und der herzliche Empfang in ihrem wunderbaren Blockhaus bleibt ein ebenfalls unvergessliches Erlebnis.

Von Billings führte der Rückweg nach Portland zunächst in Form eines Nord-Süd-Profils durch Wyoming. Die hier vorherrschenden Sedimentgesteinsschichten sind je nach Einfallen der Schichten durch Erosion in Jahrmillionen zu lehrbuchartigen Schichtstufen-, Schichtrippen- und Schichttafellandschaften umgestaltet worden. An diesem Tag wurde einmal mehr die Weite der Landschaften in einem Bundesstaat „erfahren“, der etwa Dreiviertel der Größe von Deutschland umfasst, aber nur 600.000 Menschen beheimatet.

Vorbei am nach der letzten Eiszeit entstandenen Bear Lake erreichte die Gruppe wieder Idaho. Ewa in der südlich Mitte dieses Bundesstaates liegt die Verwitterungslandschaft der City of Rocks. Der hier durch vertikale Erdkrustenbewegung an die Oberfläche beförderte Pluton zeigt vielfältige, für den Granit typische Verwitterungsformen, wie z.B. Abschuppung und Tafoni-Verwitterung. Auf der weiteren Fahrt durch den Südwesten von Idaho standen der Snake Fluss und seine Zuflüsse im Mittelpunkt, die sich überwiegend als Canyons und Schluchten in die mächtigen Ryholit-Basaltdecken der Snake Flussebene eingesägt haben. An vielen Stellen gibt es spektakuläre Wasserfälle, wie z.B. die Shoshone Falls bei Twin Falls.

In der Nähe von Mountain Home konnte die Gruppe eine Dairy Farm besichtigen. Der Plant Manager John führte vom Melkstand zu den Kälberställen und schließlich zum Futterzentrum. Mit 20.000 Tieren ist diese Farm ein Agrarindustrieunternehmen mit einem durchschnittlichen täglichen Produktionsvolumen von fast 40 Litern Milch pro Kuh. In Deutschland liegt die Größenordnung von Milchviehbetrieben bei ca. 100 bis 200 Kühen.

Östlich des Kaskadengebirges ist die Landwirtschaft in überwiegend semiaridem Klima auf Bewässerung angewiesen, mit einem deutlichen Übergewicht auf der Rinderzucht. Sogenannte Hayfarmer produzieren mit Pivots (Karussell-Bewässerungsanlagen) die kleeähnliche Futterpflanze Alfalfa oder Heu für die Winterfütterung. In der Kleinstadt Burns im Südosten von Oregon wurden die Beobachtungen zur Landwirtschaft bei einer Karussell-Bewässerungsanlage zusammengefasst. Einer der letzten Höhepunkte sollte die Fahrt zum Kamm des Steens Mountains werden. Der östliche Teil dieser bis auf fast 3.000 Meter aufragenden Pultscholle ist durch lehrbuchartige Trogtäler aus den Eiszeiten geprägt. Vom Kamm aus bietet sich bei gutem Wetter ein atemberaubender Blick auf die 1.600 Meter tiefer gelegene Alvord-Desert. Statt Glazialmorphologie und Wüstenentstehung bot die Fahrt hinauf auf den Steens Mountain aber ein ganz anderes tief einschneidendes Erlebnis. Die Wolken einer Schlechtwetterfront brachten mit zunehmender Höhe einen Schneesturm mit 80 Kilometer Windgeschwindigkeit mit sich, so dass die Fahrt kurz vor dem Kamm abgebrochen wurde. Am Fuße des Berges herrschte hingegen freundliches Wetter vor. Wie schon bei der Überquerung des Kaskadengebirges zeigte sich die Wirkung von quer zur Windrichtung verlaufenden Bergketten als Wolkenfänger und Wetterscheide überdeutlich.

Einmal mehr wurde durch diese Erfahrung die Bedeutung einer Großexkursion unterstrichen, die wie keine andere Lehrform solche eindrücklichen Erfahrungen und Lernerlebnisse ermöglicht. Über die Warm Springs Indian Reservation und vorbei am mit Neuschnee bedeckten Mount Hood führte die Fahrt schließlich zurück nach Portland.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass in der physischen Geographie viele an Beispielen aus Südwestdeutschland erarbeiteten grundsätzlichen Strukturen und Prozesse auf die Exkursionsstandorte übertragen werden konnten. In besonderer Erinnerung dürften die Begegnungen mit Einheimischen bleiben, die einer Gruppe von Deutschen und angehenden Lehrerinnen und Lehrern gegenüber besonders aufgeschlossen waren. Einige Male wurde die Gruppe bei ihren Kreisbesprechungen (Magic Circle) von amerikanischen Reisenden und Einheimischen freundlich angesprochen. Das dreiteilige Projekt Großexkursion „Nordwesten der USA“ findet nach der Vorbereitung und Durchführung im Sommersemester 2017 seinen Abschluss durch eine umfassende Dokumentation in Form eines schriftlichen Ergebnisberichts, einer CD Rom mit didaktischen Bildern und einer filmischen Dokumentation.