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Selbstorganisiertes Lernen

- Auftakt in den Masterstudiengang Bildungsmanagement -

Dr. Sven Wippermann

Thema 4: Wie kann ich das Studium gut gestalten?

Definitionen

Selbst organisiert vs. fremd organisiert?

Vor- und Nachteile

Selbst organisiertes Lernen gestalten

Definitionen

An dieser Stelle wollen wir zunächst kurz auf die beiden Begriffe „selbstorganisiertes Lernen“ und „selbstgesteuertes Lernen“ eingehen, zu denen sich in der Literatur eine große Bandbreite an Verständnissen finden lassen. Zurückführen lassen sie sich auf den englischen Begriff „self directed learning“, den Malcom Knowles als einer der ersten vor gut 50 Jahren eingeführt hat. Er versteht darunter einen Lernprozess, bei dem die lernenden Menschen ...

  • ihre eigenen Lernbedürfnisse diagnostizieren,
  • ihre Lernziele formulieren,
  • passende Lernstrategien auswählen,
  • selbst die Initiative ergreifen,
  • ihre Ressourcen organisieren,
  • den Lernprozess selbst evaluieren (vgl. Knowles 1975, S. 18).

Wir verwenden im Folgenden den Begriff „selbstorganisiertes Lernen“ und beziehen uns dabei auf ein Lernen, das in weitgehender Selbstverantwortung der Lernenden erfolgt. Es geht also nicht nur um den Prozess des Organisierens im engeren Sinne (Wann lerne ich? Welche Hilfsmittel verwende ich?), sondern um eine umfassendere Selbstverantwortung hinsichtlich des eigenen Lernens, welche die Ziele und Inhalte miteinschließt. Die Selbstverantwortung bezieht sich auf ganz unterschiedliche Entscheidungsbereiche wie die konkreten Lernziele, die Vorgehensweise, Organisation von Lernzeiten, Gestaltung der Arbeitsumgebung. Selbstorganisiertes Lernen ist kein zwingend alleiniges Lernen: die Selbstverantwortung schließt mit ein, an passenden Momenten weitere Menschen hinzuzuziehen, z.B. als Lernpartnerin, Korrekturleser, um Rückfragen zu stellen oder einen Blick von außerhalb einzuholen ("critical friend").

Selbst organisiert vs. fremd organisiert?

Gelegentlich wird selbst organisiertes Lernen dem fremd organisierten Lernen quasi antithetisch gegenüber gestellt; bisweilen mit dem Akzent versehen, selbst organisiertes Lernen sei das bessere. Dieser Auffassung folgen wir nicht: Beide Lernformen haben ihren Stellenwert im Bildungswesen insgesamt und in der jeweils individuellen Lernbiografie jedes Einzelnen. So werden "klassische" Vorträge oder Seminare weiterhin ihren Platz haben und Lehrende gezielt Lernprozesse steuern. Jedoch sollte insgesamt den Lernenden - in allen Altersstufen - ein höheres Maß an Selbstverantwortung eingeräumt und zugemutet werden. Nur so können mündige Menschen lernen, Verantwortung sowohl für das eigene als auch das gemeinsame Lernen zu übernehmen (Müller 2000).

Selbst- und fremdorganisierte Lernformen können und müssen sinnvoll miteinander verzahnt werden. Insbesondere durch internetbasierte Bildungsangebote, d.h. in der Integration von Präsenzlernen mit unterschiedlichen didaktischen Methoden, Lernorten und Medien, kann dies gelingen (sog. "Blended Learning"; Iberer 2010).

Durch die Vielzahl der digitalen Medien stehen uns heute nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und Vernetzung offen. Allerdings stellt dieser Zustand von hoher Eigenverantwortlichkeit besondere Anforderungen. Unbestrittene Vorteile stehen auch Nachteilen gegenüber:

Vorteile Nachteile

► Lernorte frei und flexibel wählbar

► eigenes Lerntempo, belieb häufige Wiederholungen

► gezielt nach individuellen Interessen

► situationsbezogen, praxisnah

► hohe Anforderungen an Selbstmotivation und Selbstdisziplin

► Überforderung in der Komplexität an Informationen

► Risiko von Misserfolgen durch fehlende Hilfestellung

► oftmals ohne formale Anerkennung

 

Im Studiengang Bildungsmanagement ermöglichen wir selbstorganisiertes Lernen an vielen Stellen. So machen wir z.B häufig ein breites Angebot an Hinweisen zu weiterführender Literatur, die es erlaubt, je nach Interessen individuell Themen zu vertiefen. Weiterhin geben wir bei fast allen Modulprüfungen Wahlmöglichkeiten, die es erlauben, eigene Schwerpunkte zu setzen. Und bei den meisten Prüfungen gibt es zudem die Möglichkeit, eigene Themen zur Bearbeitung vorzuschlagen.

Durch das Blended-Learning-Format ...

  • erhalten Sie hochwertige Impulse und passgenaue Unterlagen für Ihren individuellen Studienprozess,
  • erfahren Sie im persönlichen und virtuellen Austausch mit Dozierenden und Studierenden mehrperspektivische Sichtweisen und
  • erlangen einen anerkannten Masterabschluss, der ihre umfangreichen Arbeitsleistungen und er-worbenen Kompetenzen bestätigt.

Selbst organisiertes Lernen gestalten

Unterschiedliche Momente fremd- und selbstorganisiertes Lernens sind Ihnen vermutlich aus Ihrem Erststudium in guter Erinnerung: Sie haben dort Vorlesungen und Seminare besucht, Praktika absolviert und Prüfungen abgelegt. In diesem berufsbegleitenden Masterstudium werden Sie diese Lernformen wiederentdecken. Mehr als zuvor nehmen die Phasen des selbst organisierten Lernens eine wichtige Rolle ein. Diese gilt es so zu gestalten, dass Sie Ihre persönlichen Studienziele bestmöglich umsetzen können.

Phasen des Lernprozesses

Wenn Sie für sich die Rolle des "eigenen Lehrers" bzw. der "eigenen Lehrerin" übernehmen, empfiehlt es sich den Lernprozess in einzelne Phasen einzuteilen, etwa:

  • Lernprozess vorbereiten: Lern- und Arbeitsumgebung organisieren, Ziele und eigene Ansprüche klären, Vorwissen und Praxiserfahrungen aktivieren,
  • Lernen im engeren Sinne: Inhalte erarbeiten, strukturieren, mit Vorwissen vergleichen und verbinden, üben, anwenden, bewerten, wichtige Erkenntnisse festhalten, zusammenfassen
  • das Lernen kontrollieren: Habe ich die Inhalte verstanden? ggf. wiederholen, alternative Zugänge suchen, den Lernprozess überprüfen

Jedoch: Lernen verläuft in der Realität selten in einer sauberen, linearen Abfolge dieser Phasen. Besonders beim selbstorganisierten Lernen zeigt sich, dass der Prozess eher einem Zyklus gleicht – mit sich wiederholenden Schleifen, aber auch Abkürzungen, spontanen Rück- und Vorsprüngen oder auch spontanten Seitwärtsbewegungen.

Beispielhaft dargestellt am Fall "Erlernen von Grundlagenwissen mit einem Studientext":

Beim selbstorganisierten Lernen bewegen Sie sich nicht in einem isolierten Lernraum, sondern betten das neue Wissen direkt in Ihren individuellen beruflichen Erfahrungskontext ein. Das bedeutet, dass Sie während des Lernens immer wieder prüfen, welche Relevanz ein theoretisches Konzept für Ihre aktuelle oder künftige Berufspraxis hat. Das regelmäßige, zyklische Vorgehen in solchen Lernaktivitäten intensiviert sich über die gesamte Studienzeit und auch darüber hinaus, das berufsbegleitende Studium wird so zu einem dynamischen Lernkreislauf. Sie lernen nicht nur, neue Inhalte zu beherrschen, sondern entwickeln zugleich Ihre Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu steuern – und damit Ihre berufliche Handlungsfähigkeit zu stärken.

 

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Autorinnen und Autoren

Dieses Online-Intro in den Masterstudiengang Bildungsmanagement wurde erstmalig als Studientext von Hannelore Gloger, Astrid Krummenauer und Ulrich Müller (2003) geschaffen. An den inhaltlichen Aktualisierungen in den Folgejahren und der Überarbeitung in das Online-Format haben Sven Wippermann, Ulrich Iberer und Maria Kondratjuk mitgewirkt. Das Feedback und die unmittelbaren Erfahrungen von Studierenden des Masterstudiengangs sind dabei mit eingeflossen. 

Stand: 01.09.2025

 

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Literatur

Iberer, Ulrich (2010): Bildungsmanagement von Blended Learning. Integrierte Lernkonzepte steuern und gestalten. Marburg: Tectum.

Knowles, Malcolm (1975): Self-directed-learning. A Guide for Learners and Tea-chers. New York.

Krug, Peter (2003): Der Stellenwert von selbst gesteuertem Lernen im Konzept des lebenslangen Lernens. In: Behrmann, Detlef; Schwarz, Bernd (Hrsg.): Selbstgesteuertes lebenslanges Lernen. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

Müller, Ulrich: (2000): Weiterbildung – in Zukunft nur noch selbst organisiert? In: Erwachsenenbildung 1/2000, S. 27-31.

Müller, Ulrich (2003): Weiterbildung der Weiterbildner. Professionalisierung der beruflichen Weiterbildung durch pädagogische Qualifizierung der Mitarbeiter. Hamburg: Kovac.

Müller, Ulrich (2004): Führen lernen. Eine didaktisch-methodische Rahmenkonzeption für handlungs- und transferorientierte Management-Qualifizierung. In: Bender, Walter u.a. (Hrsg.): Lernen und Handeln – Eine Grundfrage der Erwachse-nenbildung. Schwalbach: Wochenschau, S. 387- 398.

Remdisch, Sabine; Ott, Christian (2016): Erfolgsfaktoren der Weiterbildung. Studiengestaltung für Learning Professionals. Bielefeld: W. Bertelsmann.

Vaill, Peter B. (1998): Lernen als Lebensform. Ein Manifest wider die Hüter der richtigen Antworten. Stuttgart: Klett Cotta.